Mittlerweile sind wir schon einige Jahre mit unserem Stahlschifferl LA BELLE EPOQUE unterwegs. Hier ein Bericht über unser derzeitiges Ankergeschirr und unsere Erfahrungen und Einschätzungen.
An Bord LA BELLE EPOQUEs fahren wir folgendes Ankergeschirr:
Am Bug belegt fahren wir zwei Anker: den Hauptanker, einen 35kg Bruce-Anker mittels „Green- Pin“-Schäkels an 50m Kette (Stärke 10mm) geschäkelt und mit weiteren 60m Trosse (22mm Stärke) verspleißt.
Der Zweitanker, ein 30kg M-Anker mit 40m Kette (10mm) und 75m Trosse (22mm) wird ebenfalls fertig zum Einsatz am Bug gefahren.Weiters haben wir an Bord: einen 21kg Klippanker mit 5m Kettenvorlauf (10mm), einen 30kg Britany, ebenfalls mit 5m Kettenvorlauf (10mm) und am Heck fertig montiert einen 11kg Bügelanker mit 6m Kettenvorlauf und 65m Trosse (16mm) auf einer Rolle.Außerdem an Bord: 50m Ersatzkette und mehrere Trossen zwischen 50m und 70m Länge.
Beide Buganker werden über eine elektrische Ankerwinde am Bug bedient, und laufen über eine Ankerrolle, die durch einen Bügel verhindert, dass die Kette von der Rolle springen kann. Beide Anker werden mittels Bensel gegen ungewolltes Ausrauschen gesichert.
Alle Klampen von LA BELLE EPOQUE sind an Deck und mit starken Gegenplatten unter Deck verschweißt – die leichteste Übung bei einem Stahlschifferl! Mit an Bord fahren wir einige Schwimmtrossen, die als Landleinen zum Eisatz kommen: 4 x 55m von 26mm Polysteel Trossen, 1 x 75m von 26mm Schwimmtrosse, zusätzlich einige ältere Polysteel Schwimmtrossen mit jeweils 30m Länge. Diese Trossen werden in der Regel in den Backskisten gestaut. In Revieren, in denen Landleinen generell nötig sind, fahren wir eine Schwimmtrosse am Heck anstelle des Heckankers.
Neben dem Ankerlicht am Top des Großmastes, das mit einer LED-Lampeausgestattet ist, haben wir ein kleines „Sure-a-light“ an Bord, welches manchmal zum Einsatz am Heck kommt. Der billige, zweiteilige Ankerball verrichtet ebenfalls seinen Dienst. Bei windigen Bedingungen läuft über Nacht außerdem das Standard Horizon GPS mit Ankeralam, obwohl ich sagen kann, dass ich selbst der beste Ankeralarm bin, da ich bisher immer längst vor dem Signalton aufgewacht und an Deck bin!
Nach jahrelangem, durchgehenden Fahrtensegeln mit diesem Geschirr, unzähligen Nächten vor Anker und einigen abgewetterten Stürmen wollen wir hier unsere Erfahrungen mit genau diesem Ankergeschirr berichten.
Der Hauptanker
Die ersten Jahre der Reise sind wir mit einem 35kg Klippanker mit Kette und Trosse unterwegs gewesen. Dieser Hauptanker wurde im seitlichen Rohr an Steuerbord gefahren.
Wir sind diesem Anker gegenüber misstrauisch geworden, da wir uns bei einigen Gelegenheiten nicht auf ihn verlassen konnten. Speziell bei Seegras und Tang schafft es der Klippanker an Bord nicht, sich durch das Kraut in den Boden zu graben, er verhängt sich im Gras und täuscht vor, zu halten, wir achten daher immer genau darauf, dass wir den Anker ordentlich einfahren, beziehungsweise verwenden wir den Anker bei verkrauteten Ankergrund nicht als Hauptanker. Unserer Meinung nach ist der Klippanker ein mittelmäßiger Anker, aber kein „Allround-Anker“ und damit nicht die beste Wahl als Hauptanker für weltweite Fahrt.
Der Anker wurde bei uns durch ein Rohr seitlich durch den Rumpf geleitet und somit an der Bordwand etwas über der Wasserlinie gefahren. LA BELLE EPOQUE war bereits beim Kauf mit diesem Ankerrohr (und dem Anker) ausgestattet, wir hatten vorab keine Erfahrung mit einem derartigen, seitlich gefahrenen Anker und haben bei der Restauration diese Konstruktion original belassen. Wir haben erfahren, dass diese Konstruktion für uns einige Vorteile bot: der Anker konnte sich nicht mit dem Wasserstag unseres Bugsprit verheddern und durch das Ankerrohr konnte der Schlamm bereist vor dem Deck vom Ankergeschirr gewaschen werden.
Als hauptsächlichen Nachteil empfanden wir die Tatsache, dass das Ankerrohr uns auf einen Ankertyp beschränkt – und dies leider nicht unser favorisierter Anker ist. Ein weiterer Nachteil ist, dass der Anker bei Wellenschlag gegen den Rumpf schlägt, sobald er nicht ordentlich auf Spannung gesichert wurde, aber dies könnte mit einiger Schweißarbeit an Bord unseres Boots (Anker im Rumpf versenken) noch verbessert werden. Durch das Fahren des Ankers nahe der Wasserlinie ist der Anker natürlich Wasser und Wellen extrem ausgesetzt und es muss bei jedem Segeltörn darauf geachtet werden, dass der Anker extra gesichert ist und nicht nur mit der Ankerkette über die Winde spannt. Da es aber an Bord jeder Yacht normal sein sollte, stets die Anker zu sichern, ist dies ja ohnehin klar. Anstelle Verbesserungen und Umbauten entschlossen wir uns allerdings 2016, das Ankerrohr zu entfernen und einen zweiten Bruce Anker am Bug zu fahren. Seither fahren wir einen Bruce Anker am Bug und sind damit sehr zufrieden. Der Anker bietet eine kostengünstige Alternative zu diversen moderneren Ankern, kann aber in ihrer Haltekraft und Zuverlässigkeit zu hundert Prozent mithalten. Davon sind wir überzeugt.
Der Zweitanker
(30kg M-Anker mit 40m Kette (10mm) und 75m Trosse (22mm), am Bug gefahren):Wir haben bisher überraschend gute Erfahrungen mit diesem Bruce-Nachbau-Anker gemacht. Der Anker ist ausgesprochen billig, hat keine beweglichen Teile und passt gut unter denBugsprit, auch wenn er gelegentlich beim Lichten im Wasserstag einhängt. Aber am Besten ist, dass der Anker sich bisher als ein guter Allround-Anker zeigt und sich gut und schnell eingräbt. Selbst in verkrauteten Buchten hat der Anker bisher gute Dienste geleistet und grub sich meist sofort ein.
Wir hatten bisher eigentlich nur ein einziges Mal erlebt, dass der Anker nicht halten wollte. Beim Lichten des Ankers zeigte sich, dass der Anker einenFelsbrocken aufgenommen hatte und sich daher nicht mehr in den Grund graben konnte.
Ein Problem, wofür laut Internet der Bruce oder M-Anker bekannt sein sollte. Wir empfanden dies nicht weiter schlimm, da der Anker normalerweise beim Einfahren gut einrückt und man spätestens beim Rückwärtsfahren merkt, ob er hält oder nicht.Bereiten wir uns auf Sturm am Ankerplatz vor, befestigen wir in der Regel unseren Ersatzanker (30kg Britany mit 5m Kettenvorlauf) vor den M-Anker, um diese Anker in der Reihe zu setzten. In dem Fall fahren wir stets eine Ankerboje, um den Britany auch wieder lichten zu können.
Erwarten wir keine Winddrehung, setzten wir ausserdem zusätzlich unseren Hauptanker, sodass beide Buganker in V-Form vor dem Boot liegen. Bei Winddrehung ist dies natürlich nicht günstig, da sich die Ketten ineinander verdrehen. Auch müssen wir nach Durchzug des Sturms einen der beiden Buganker lichten, damit die Tide das Boot nicht über den Ankern dreht.Unser zweiter Ersatzanker (21kg Klippanker mit Kettenvorlauf) kam bisher noch nie bei uns an Bord in Einsatz, weshalb wir keine Erfahrungen darüber schreiben können. Einzigen bei der Verankerung eines fremden, treibenden Bootes an einem dänischen Ankerplatz setzten wir diesen Anker ein. Da es sich jedoch um ein bedeutend leichteres Boot als LA BELLE EPOQUE handelte, war es ohnehin klar, dass der Anker halten würde.
Der Heckanker
(11kg Bügelanker mit 6m Kettenvorlauf und 65m Trosse (16mm) auf einer Rolle):
Hauptsächlich kam der Heckanker bisher an schwedische Ankerplätze zum Einsatz. Und erstaunte. Der leichte Bügelanker, der ursprüngliche Hauptanker einer viel leichteren Yacht eines Freundes, ist natürlich als Anker viel zu klein für unsere schwere Stahllady und hält dennoch unwahrscheinlich gut, er ist ein toller Heckanker. Er lässt sich bequem am Heckkorb stauen und wir sind mit der im Heckkorb integrierten Rolle sehr zufrieden. Einzig können wir sagen, dass wir uns schon des Öfteren eine kleine Ankerwinde am Heck gewünscht haben, nachdem der Anker meist „fast zu gut“ hält und von Hand nur über eine Ankerboje auszureissen ist.
Speziell beeindruckt über die Haltekraft des kleinen Ankers waren wir bei einer Gelegenheit in Schweden bei einem Ankermanöver am Fels: um LA BELLE EPOQUE an einen Felsen in den schwedischen Schären fest zu machen, hatten wir uns angewöhnt, erst ein Manöver zum Ausloten des Felsliegeplatzes zu fahren und erst im zweitenManöver zu ankern. Dann bediente ich vom Cockpit aus das Steuer und setzte den Heckanker, während Jürgen am Bug mit einer Trosse und den Schärennägel wartete und mittels Handzeichen zum gewünschten Liegeplatz dirigierte. Dabei setzte ich einmal den Heckanker zu früh und erreichte so die Felsen nicht, als bereits sämtliche Ankertrosse ausgerauscht war. Da ich ohnehin annahm, dass der kleine Bügelanker mit LA BELLE EPOQUE über seine Grenzen belastet wurde, erwartete ich, den Anker mittels Motorkraft ziehen zu können. Nach und nach gab ich mehr Gas, bis LA BELLE EPOQUE schließlich mit Vollgas vorwärts Richtung Felsen dampfte. Der 11kg Bügelanker mit seinen 6m Kettenvorlauf hielt stand und schlierte keinen Meter (im Sandboden mit ansteigenden Grund). Schließlich musste ich den Anker lichten und in einem neuen Manöver näher beim Land setzten.
Zum restlichen Ankergeschirr:
Wahrscheinlich wundert sich so mancher Leser bereits über das Fehlen von Kettenwirbel in unserem Ankergeschirr. Wir hatten allerdings bisher noch nie einen Wirbel im Ankergeschirr (weder an Bord IRISH MIST noch an Bord LA BELLE EPOQUE) und sahen auch keine Notwendigkeit dazu. Dazu kommt, dass wir auf keinen Fall das stählerne Ankergeschirr mit einem Edelstahl-Wirbel mischen und somit schwächen wollen (Edelstahl zeigt keine Alterung und bricht unerwartet) und grundsätzlich den geprüften „Green-Pin“ Schäkel aus dem Industriebereich als Verbinder zwischen Anker und Kette Vorzug geben.
Ankern wir nur mit Kette, montieren wir in der Regel als Ruckdämpfer ein kurzes Stück Trosse mittels eines Kettenschäkels an die Kette. Wir haben auch einen Klauenhaken an Bord (einer von zwei ging bereits verloren), benützen aber in der Regel den Kettenschäkel lieber.Nach drei Jahren mit viel Zeit vor Anker zeigt die Kette des M-Ankers Rost. Diese Kette war allerdings beim Ablegen nicht neu, sondern in guten Zustand. Wir denken, noch ein Jahr sicher damit ankern zu können.Besonders gut bewährt hat sich die Ankertrosse des M-Ankers: hier benützen wir eine quadratgeflochtene Squareline, die sich im Ankerkasten ohne unser Zutun leicht kinkenfrei staut und im Einsatz zusätzlich als Ruckdämpfer arbeitet.
Die Ankerwinde:
Da wir an Bord IRISH MIST eher negative Erfahrungen mit einer alten, elektrischen Ankerwinde gemacht haben und auf LA BELLE EPOQUE bereits beim Kauf eine manuelle Winde montiert war, haben wir vorerst diese manuelle Winde überholt und behalten. Da die Winde aus Stahl gefertigt war, benötigte sie allerdings laufende Wartung und beinahe ihr gesamtes Innenleben musste von selbst gefertigten Drehteilen aus hochwertigen Materialien ausgetauscht werden.
Die Winde machte ihre Arbeit, das Lichten des Ankers dauert allerdings lange und bei Wind muss mit Motorkraft nachgeholfen werden – die Kette auf Zug ist kaum an Bord zu pumpen.
Irgendwann hatten wir die Nase voll von der manuellen Ankerwinde und so rüsteten wir 2016 im Zuge des Umbaus vom Hauptanker auf eine elektrische Ankerwinde um. Da uns die Preise in Neuseeland für hochwertige und kraftvolle elektrische Ankerwinden zu hoch waren, baute Jürgen die neue Ankerwinde selbst.
In der Regel legen wir unter Motor vom Ankerplatz ab, unter Segel Anker auf zu gehen ist für uns in der Praxis eine seltene Besonderheit. Damit ist der Stromverbrauch einer elektrischen Ankerwinde irrelevant. Unsere elektrische Ankerwinde ist mit 2 Kettennüsse (zusätzliche Winde für Trosse wäre toll aber nicht wichtig) und einer Seiltrommel ausgestattet.
Gut bewährt haben sich die beiden Weithals-Fässer, die uns als Ankerfässer dienen.Klampen und Poller:Mit Erstaunen stellen wir immer wieder fest, dass viele Yachten zu wenig und zu kleine Klampen an Bord haben. Gerade in Gebieten, in denen mit Landleinen gearbeitet wird, sind große, stabile Klampen am Vordeck, am Mitteldeck und am Heck wichtig. Wir bevorzugen unsere Doppelkreuz-Poller, mit denen wir mehr als zufrieden sind. Am Vordeck sind außerdem zwei schräge Knopfpoller montiert, die jedoch den Nachteil haben, in der Regel nur Platz für eine Trosse zu haben. Auch kann an ihnen keine Trosse mittels Schlaufe belegt werden. In der Praxis sind an Bord LA BELLE EPOQUEs bereits oft alle vier Poller am Vordeck, die jeweiligen Klampen am Mitteldeck sowie die Doppelkreuzpoller und der einfache Kreuzpoller am Heck gleichzeitig verwendet worden. Die geschlossenen Leinendurchgänge im Schanzkleid am Bug empfinden wir als praktischer als die nach oben offenen Durchgänge am Heck, da die Trossen beim Festmachen an einer Mole in Tidengewässer gerne aus dem Durchgang springen.
Landleinen
(4 x 55m von 26mm Polysteel Trossen, 1 x 75m von 26mm Schwimmtrosse, zusätzlich einige ältere Polysteel Schwimmtrossen je 30m):
Durch unsere Reisen in anspruchsvollen Seegebieten kommt es ab und zu vor, dass wir LA BELLE EPOQUE mittels Landleinen sichern müssen, sei es, weil viele Buchten in den Fjorden unglaublich tief sind und somit nicht geankert werden kann, oder sei es, weil die Wetterbedingungen für normales Ankern zu schwierig werden. Wir haben Beste Erfahrungen mit den stabilen Trossen aus der Berufsschifffahrt gemacht (unsere Polysteel- Trossen haben wir auf den Shetland-Inseln im Fischereihafen gekauft). An Bord vieler „Eismeer-Segler“ werden die Landleinen an Deck in Trommeln gefahren, was unserer Meinung praktisch, aber nicht zwingend nötig ist. Quadratgeflochtene Polysteel-Squareline würden unser dreikadeeliges Tauwerk sicherlich noch topen. Unserer Erfahrung nach haben sich die Trossen als sehr stark und abriebfest gezeigt, wobei wir um scharfkantigen Felsen als Belegpunkte teilweise Kettenstücke verwenden. Beim Belegen am Eis haben wir gute, wenn auch bisher nur wenige, Erfahrungen mit Schärennägel gemacht (indem wir die Schärennägel mit der Axt ins Eis schlugen und daran die Trossen befestigten). In den Schären selbst allerdings schienen uns die selben Nägel nur unzureichend vertrauenswürdig und wir bevorzugen das Belegen um Felsen.