Ausrüstung auf Weltumsegelung

Oder: Muss man sich als Langfahrtensegler wirklich „um die Welt reparieren“

Befindet sich eine Yacht auf längerer Reise, sind die Belastungen, denen sie im Vergleich zu herkömmlichen Freizeityachten standhalten muss, ungleich hoch. Während Freizeityachten meist nur während diverser Segelsaisonen am Wochenende und in Urlaubszeiten genützt werden und in vielen Fällen für die restliche Zeit im Jahr überprüft und gewartet eingewintert werden, gibt es für die Blauwasseryacht keine Off-Saison. Sie ziehen meist rechtzeitig vor Hurrikan-Saisonen, vor Wintermonaten oder vor Regen- zeiten weiter. Ein Weiterziehen, das in der Regel mit langen Passagen verbunden ist. Passagen, während denen der Autopilot 24 Stunden am Tag am Ruder dreht und die Segel an den Wanten scheuern und am Rigg reissen. Liegen Blauwasseryachten still, tun sie das meist vor Anker, wo wiederum der Zustand und die Stärke der Ausrüstung – des Ankergeschirrs und der Decksausrüstung – für die Sicherheit der Yacht sorgt.

Auch die Ausrüstung im Boot – Stromversorgung, Kühlschrank, Wassermacher, Kochherd, Wasserpumpen und ähnliches – werden das ganze Jahr über verwendet. Hin und wieder muss die Yacht in fremden Revieren sogar kleine Notfälle standhalten: eine ungewollte Grundberührung, Schlechtwetter, welches durchzieht und die Crew um die Yacht vor Anker bangen lässt. Dazu kommen, je nach Reviere, stärkere Umwelteinflüsse: extreme UV-Belastung und erhöhte Schimmelpilz-Probleme in den Tropen, Kälte und erhöhte Windbelastungen in den Hohen Breiten

Segelt man entlang der bevorzugten Routen der Blauwassersegler, gewöhnt man sich ohne Verwunderung schnell daran, in allen größeren Häfen Crews anzutreffen, die auf Ersatzteile für ihre Yacht warten. In vielen Fällen ist die Ausrüstung oder auch Teile der Yacht selbst nicht den hohen Dauerbelastungen der Blauwasserreise gewachsen, außerdem kann zu wenig Wartung und falscher Einsatz zu Fehlfunktion oder zu Bruch führen.

gebrochene Klampe
Manche Yachten, oder deren Ausrüstung, sind nicht für die Belastungen von weltweiter Fahrt ausgelegt. Was in einem sicheren Hafen zu einer leidigen Reparatur führt, kann in anspruchsvollen Revieren zu einem Überlebenskampf werden.

Doch gerade in fremden Häfen ist es manchmal nicht leicht, Fachpersonal für professionelle Reparaturen zu finden oder nötige Ersatzteile aus dem Ausland zu empfangen. Von betroffenen Seglern wird über Sprachprobleme, lange Wartezeiten und Zollschwierigkeiten, teure Werftkosten und Unzufriedenheit mit der Arbeitsqualität beziehungsweise Zuverlässigkeit geklagt.

Die Misere an Bruch und die Schwierigkeit, die Yacht auch in fremden Häfen wieder in Schuss zu bringen geht soweit, dass sogar einige Crews deshalb ihren Segeltraum an den Nagel hängen. Nur die wenigsten Yachteigner und Langfahrtensegler gestehen sich ein, dass vielleicht eine bessere Planung, mehr Wissen bei der Entscheidung zur Yacht und ihrer Ausrüstung, beziehungsweise die eigenen technischen Fähigkeiten und Einhaltung der Wartung und Überprüfung der Ausrüstung den feinen Unterschied zwischen einer entspannten Reise über die Weltmeere und einer Misere an ständigen „um die Welt reparieren“ gemacht hätten. Die eine oder andere Reparatur wird allerdings der best geplanten Weltbesegelung nicht aus bleiben!

Häufige Gebrechen

Folgende sehr gefährliche Gebrechen der Yachten selbst sind wir während den letzten Jahren begegnet:

  • Rigg: insgesamt fünf Mastbrüche, zwei gebrochene Bäume, drei defekte Rollgroß, zwei Yachten mit Problemen an der Rollgenua, eine Yacht mit verbogenem Mastfundament
  • Rumpf, Kiel, Ruder: eine Yacht mit verbogenen Ruderschaft nach einer Kollision mit Treibgut, einer Yacht mit Schaden am Kiel und Ruder nach einer Kollision mit einem schlafenden Wal, eine Seenotsituation mit Bootsaufgabe durch Ruderbruch, zwei Yachten mit Bruch an der Aufnahme der Ruderhydraulik, ein Skeg-Bruch, einen Totalverlust mit Loch im Rumpf durch eine Strandung nach Bruch des Ankergeschirrs (der Antrieb der Yacht war zu schwach um sie von den Felsen zu halten); vier weitere Yachten mit Bruch am Ankergeschirr (ein verbogener Ankerschaft, zwei gerissene Edelstahlketten, eine ausgerissene Ankerwinde), drei abgebrannten Yachten, zwei gebrochene Seeventile
  • Segel: generell hohe Abnützung durch starken Einsatz und hohe UV-Belastung an Bord aller Blauwasseryachten, erhöhte Schamfil-Probleme bei gerefftem Groß an Bord einiger Yachten mit Rollreffbäumen, zwei gebrochene Spinnakerbäume, eine Yacht mit zerfetzter Rollgenua durch Sturm
  • Motor und Antrieb: drei Yachten mit gebrochenen Motorfundamenten, zwei Yachten mit verbogener Antriebswelle, zwei Yachten mit defekter Motorschaltung, eine Yacht mit Getriebeproblemen nachdem sie mit dem Propeller in ein Fischernetz geraten ist, drei Yachten mit Problemen durch verschmutzten Diesel , eine defekte Lichtmaschine
auch interessant...  T-Terminals im Rigg
defektes Rollgroß
Bruch der Rollanlage vom Großsegel: diese Yacht kann ab einer Windgeschwindigkeit von ca. 15 Knoten das Großsegel nicht mehr sicher bergen. Deshalb legte die Yacht eine große Strecke ohne Großsegel zurück. Die Fahrt war durch die heftigeren Rollbewegungen der Yacht bestenfalls unbequem. Doch kann es auch gefährlich werden, wenn eine Yacht nicht ihr volles Potenzial nützen kann, zum Beispiel bei zunehmenden Wind an einer Leeküste.

Reparaturen und gebrochene Ausrüstung, welche wir in den letzten Jahren häufig begegnet sind:

  • Ausgefallene Elektronik (Navigation und gesamte Elektronik)
  • Windgeneratoren mit verlorenen Rotor-Blättern und defekte Regler
  • Ausgefallene Kühlschränke
  • Defekte Wassermacher
  • Kaputte Autopiloten
  • Undichte WC-Pumpen
  • Undichtigkeiten (zum Beispiel durch undichte Luken oder durchs Deck)
  • Undichte und stark verschmutzte Trinkwassertanks
  • Defekte Kardanik und Brenner vom Kochöfen
  • Kaputte Wasserpumpen (manuelle wie auch elektrische)
  • Durch Vögel abgebrochene Wind-Messinstrument
  • Defekte Außenborder und undichte Dingis

Die Liste ist natürlich unvollständig, unzählige Kleinigkeiten wie gebrochene Blöcke und Schäkel, verschlissenes Tauwerk, zerrissener Sonnenschutz und Dodgers oder verbogene Reling- Stützen kommen immer wieder vor. Doch kann die Schadensliste durchaus dazu verwendet werden, die Wahl der angehenden Blauwasseryacht zu beeinflussen beziehungsweise die Auf- und Ausrüstung dieser genauer zu überdenken.

Bruch des Ankergeschirrs
Aus der Traum: nach dem Bruch des Ankergeschirrs strandete diese Yacht und musste aufgegeben werden.

Mögliche Vermeidung

Zu allererst sollte man sich bei der Wahl der Yacht im Klaren sein, dass sie erhöhten Belastungen standhalten muss. Manche Segler nehmen an, dass dies nur für jene Yachten zutrifft, die abseits der Barfuß-Route unterwegs sind. Doch ist dies kaum der Fall, da gerade auch die Barfuß-Route mit einigen nicht zu unterschätzenden Seerevieren aufwartet und schon alleine die extremen Entfernungen eine Herausforderung auf sämtliche Ausrüstung bleibt.

Was heißt das nun in Anbetracht der von uns beobachteten Gebrechen von Yachten:

Wir sind selbst etwas erstaunt, wie vielen Mastbrüchen wir über die Jahre begegnet sind. Um genauer darauf einzugehen ist zu sagen, dass alle Yachten das vom Konstrukteur vorgegebene Rigg hatten. Zwei der gebrochenen Riggs waren an Bord von Katamaranen (vom selben Typ), bei denen jeweils der Pütting am Vorstag gebrochen war. Alle weiteren von uns gesehenen Mastbrüche betrafen die Riggs von Großserien-Yachten mit gepfeilten Salingen und T-Terminals. Die genauen Ursachen der einzelnen Brüche ist uns leider nicht bekannt, allerdings wissen wir, dass weder Sturm noch Kenterung die Ursache der einzelnen Mastbrüche war. Für angehende Blauwassersegler raten wir, auf ein starkes Rigg wert zu legen und möglichst viel über geeignete Riggs für Blauwasseryachten zu lernen. Einige Überlegungen dazu finden sich auf unserer Homepage unter Technik und Ausrüstung.

Auch die von uns beobachteten Probleme mit Rollgroß halten wir für bedenklich, wobei eine Yacht ihr im Mast gerolltes Groß ab 15 Knoten Wind nicht mehr sicher bedienen konnte, bei den beiden weiteren Yachten mit Problemen mit einem Rollbaum brach die Rollanlage im Baum (eine bei Sturm, eine bei stärkerem Passatwind). Viele Blauwasseryachten sind heute mit Rollgenuas ausgestattet, da diese Anlagen unter anderem Vorteile bei großen und schweren Segel bietet. Bis zu stürmischen Windgeschwindigkeiten ist das Reffen und Ausreffen der Rollvorsegel einfacher, weshalb Yachten mit Rollanlagen oft schneller auf wechselnde Winde reagieren. Eine sehr erfahrene holländische Hochseeseglerin verriet uns im Gespräch, dass sie seit der Umrüstung ihrer Blauwasseryacht von traditionellem Stagsegel auf eine Rollgenua ihre Durchschnittsgeschwindigkeit um einen halben Knoten erhöht hat, da nun auf ein Abflauen des Windes sofort reagiert wird.

auch interessant...  Drahtseile selber spleißen

Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass die Anlage stark dimensioniert ist und ein Kutterstag für Starkwind- und Sturm-Segel vorhanden ist. Die von uns gesehene Yacht mit zerfetzter Rollgenua nach einem Sturm hatte keine weiteren Vorsegel an Bord und musste so die 60 Knoten Wind mit großteils eingerollter Genua abwettern, was nicht gut ausging.

Bei der von uns getroffenen Yacht mit verbogenen Mastfundament handelte es sich um eine ältere GFK-Sandwich- Yacht, die nun ihr Rigg nicht mehr ordentlich durchsetzen konnte.

Generell haben uns unsere Erfahrungen gezeigt, dass Kollisionen und Grundberührungen auf einer Blauwasserreise durchaus nicht selten vorkommen. Ein starker Rumpf und Kiel und vor allem ein gut geschütztes Ruder sind unserer Meinung deshalb besonders wichtig. Sollte die Yacht nicht über einen Langkiel oder gemäßigten Langkeil mit Ruderharke verfügen, ist es immer noch wichtig, dass das Ruder über ein Skeg abgesichert ist. Da gerade an fremden Küsten Yachten immer wieder in Fischernetze oder Bojen von Fischerkörben laufen ist ein Skeg, das gleichzeitig den Propeller schützt und das Netz unterm Ruder durch ableitet optimal. Alle von uns getroffene Yachten mit Ruderproblemen hatten freihängende Ruder und erlebten eine Kollision auf Hochsee, wobei bei den Seenotfall mit Bootsaufgabe nach Ruderbruch die Ursache für den Bruch nicht eruiert werden konnte. Bei den Bruch an der Aufnahme der Steuerhydraulik handelt es sich bei einer der Yachten um uns selbst, wir bemerkten bei Wartungsarbeiten einen kleinen Riss in der metallenen Aufnahme zwischen Hydraulik und Quadrant.

Ruderhake
Diesem Blauwassersegler reichte es: um endlich keine Fischerleinen mehr in seine Schiffsschraube zu bekommen montierte er der Yacht eine Ruderharke.

Wir trafen eine Crew nach ihrem Totalverlust durch Strandung und konnten erfahren, dass sie bei Bruch des Ankergeschirrs bereits unter Motor waren. Doch die schwere Blauwasseryacht war mit einem Faltpropeller mit sehr schlechtem Wirkungsgrad ausgestattet und konnte sich bei den Starkwind- Bedingungen nicht aus eigener Kraft von den Felsen fern halten. Zur Sicherheit einer Blauwasseryacht gehört unserer Meinung auch ein zuverlässiger und gut dimensionierter Motorantrieb.

Nicht nur die Auswahl der Yacht selbst hilft, das eine oder andere Problem unterwegs zu vermeiden. Viele Ausrüstungsteile, die der Markt für Yachten anbietet, sind nicht für den Dauereinsatz gebaut und bei der Auswahl für eine Blauwasseryacht sollte besonderes Augenmerk auf die Qualität gelegt werden.

Viele Bauteile aus Plastik ermüden schnell durch die erhöhte UV-Belastung in tropischen Gebieten. Sind Metalle gemischt (zum Beispiel Aluminiumteile mit Edelstahlschrauben direkt verschraubt) werden sie schnell mit Korrosion Probleme haben. Wie jeder weiß ist wasserfest ist nicht wasserdicht. Zahnräder aus Plastik halten in vielen Fällen den Dauereinsatz auf langer Reise nicht stand. Elektronik und elektrische Bauteile müssen besonders vor Wasser geschützt werden. Ist die Navigationselektronik mit allen Gadgets an Bord verbunden, kann ein Fehler eines Gadgets die gesamte Navigation lahmlegen (wie wir an zwei Yachten beobachten konnten). Eine Blauwasseryacht muss über Notfall- Navigation verfügen (extra GPS, extra Elektronik und Papierseekarten).

Manchmal sollte man sich vor der Ausrüstung einer Blauwasseryacht auch fragen, ob man selbst über genug technische Fähigkeiten verfügt, die Ausrüstung fachgerecht zu warten und im Notfall Reparaturen durchführen zu können. Welche Teile der Ausrüstung sind Verschleißteile und sollten als Ersatzteile an Bord sein (Dichtsätze, Membrane, Impeller, Filter,…) Und, ist das nötige Werkzeug für eventuelle Reparaturen an Bord?

Bei wichtiger Ausrüstung kann es hilfreich sein, sich nicht auf ein System verlassen zu müssen. Eine Windsteueranlage zusätzlich zu einem elektrischen Autopilot bewährt sich zum Beispiel.

Um Probleme mit verschmutzten Diesel zu vermeiden muss der Motor einer Blauwasseryacht mit großen Filteranlagen und Wasserabscheider ausgestattet sein. Auch ist es wichtig, dass die Crew die Geräusche des Motors kennt und auf ungewöhnliche Geräusche reagiert. Wenigstens ein Crewmitglied an Bord sollte die laufende Motorwartung erlernen und übernehmen.

Last but not least kommt es auch immer darauf an, wie die Crew mit der Ausrüstung umgeht. Laufende Überprüfung und Wartung ist nötig, um Probleme rechtzeitig zu entdecken und Bruch zu vermeiden, jedes Crewmitglied sollte mit der Yacht vertraut sein und auf Anzeichen von Problemen (ungewöhnliche Geräusche, Schamfilen, schweres Arbeiten der Selbststeuerung durch schlechten Trimm oder zu großer Segelfläche,…) sofort reagieren.

Untergang
Trauriges Ende: der Versuch, einen Hurrikan vor Anker abzureiten kostete dem Eignerpärchen dieser Yacht das Leben.

Ein Kommentar

  1. Ekhard Schmidt

    Hallo,

    mich interessiert sehr wie die Resonanz auf Euer technische Logbuch war/ist. Vor einigen Jahren habe ich mich immensem Aufwand eine App entwickelt. Als damaliger Inhaber eine mit Technik vollgestopften Lagoon 400 stand ich vor der üblichen Aufgabe: Wie behalte ich den Überblick über alle kommenden Wartungsarbeite, wo habe ich was gekauft und mit welcher Garantie, wie sind die exakten technischen Daten, Ersatzteilnummern, wann habe ich was gemacht, whatever. Zudem waren alle Bedienungsanleitung- Reparaturanleitungen dem jeweiligen Equipment zugeordnet. NA ja, dann so Kleinigkeiten wie Strombedarfsberechnung, Währungsumrechnung, Ankerwächter mit SMS Benachrichtigung , Medizinische Befundaufnahme mit automatischer Weiterleitung via Pastor-Modem oder Iridium an Notfallstellen mit Schiff-, Crew- und Positionsdaten. Teilautomatisiertes Logbuch mit Foto- und Berichtsfunktion, Staulisten und so weiter. 5-sprachig.
    Entwicklungsaufwand: ca. 200K.
    Ergebnis: ca. 750 verkaufte Apps. Dann habe ich das Projekt eingestellt. Mir schien der Aufwand war den Käufern zu hoch. Es waren 1-2 Tage mind. nötig um die Daten in die App vollständig einzugeben. Zudem war und ist wohl die Auffassung vorherrschend, das Apps gratis zu sein haben.

    Viele Grüße

    Ekhard Schmidt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert