Die Größe der Blauwasseryacht wird auf unterschiedliche Weise das Leben an Bord, aber auch das Reisen selbst beeinflussen. Es ist sinnvoll, sich erst ein paar Gedanken zur Größe zu machen, bevor man sich für eine Yacht entscheidet.
Wir können beobachten, dass die letzten Jahre die durchschnittliche Größe gängiger Blauwasseryachten immer wieder gewachsen ist:
Vor einem halben Jahrhundert – als noch wenige private Weltumsegelungen stattfanden – segelten die bekannten Fahrtensegler (wie etwa die Hiscocks, Kochs oder Schenks) mit Yachten zwischen 30 und 33 Fuß, also 9-10 Meter.
Zu unseren Segelanfängen Ende der Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts schienen Yachten mit 40 Fuß – 12 Meter – die Weltmeere zu besiedeln. Zu dieser Zeit gehörten wir mit unserer 34 Fuß (10m) Yacht bereits zu den kleineren Fahrtenyachten, während unsere kanadischen Freunde mit ihrer 50 Fuß (15m) langen KIKIMO zu den Großen zählten.
20 Jahre später können wir erneut einen Wuchs in den Yachten auf Langfahrt sehen. Die meisten Yachten, die wir heute unterwegs antreffen, sind zwischen 43 und 55 Fuß lang – zwischen 13 und 17 Meter. Dabei beobachten wir, dass die größeren Yachten meist aus Nordamerika, Südafrika, Australien oder Neuseeland kommen, während Europäer in der Regel Schiffe um die 40 bis 45 Fuß fahren. Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel und wir treffen ebenso winzige Yachten mit wenigen Metern wie große Yachten jenseits der 20 Meter (von denen viele unter Charter laufen).
Weshalb der Zuwachs an Größe?
Zum einen hängt die durchschnittliche Steigerung der Bootsgröße sicherlich mit dem Anstieg des Wohlstands und dem Trend des „Aussteigen auf Zeit“ zusammen. Immer noch hängt die Größe der Yacht von den finanziellen Mitteln der Eigner ab.
Einige jüngere Paare ohne konstanten Einkommen sowie wenige Crews ohne zeitlicher Reisebegrenzung sind auch heute noch mit Yachten bis 38 Fuß unterwegs. Größere Yachten würden in der Regel ihre Budgets übersteigen.
Und wenn es um die finanzielle Planung der geeigneten Blauwasseryacht geht, muss dazugesagt werden:
Nicht nur der Bootserwerb selbst ist entscheidend, sondern auch die laufenden Kosten einer Yacht. Yachthäfen, Werften und Kanäle staffeln ihre Preise nach Bootsgröße. Zum Beispiel ist der Transit durch den Panama Kanal mit einer Yacht mit Gesamtlänge ab 50 Fuß (die Größenangabe in den Bootspapieren ist irrelevant, die Boote werden vermessen) empfindlich teurer als an Bord kleinere Boote.
Viele Yachthäfen und Werften lassen ihre Preise ab einer Größe von 60 Fuß unproportional ansteigen. Dabei muss jeder angehende Schiffsbesitzer sich im Klaren sein, dass hier meistens die Gesamtlänge mit allen Überhängen und Anbauten ausschlaggebend ist, nicht die Länge über Deck. In manchen Revieren wird es sogar schwierig, größere Yachten überhaupt an Land stellen zu können.
Auch verlangt eine größere Yacht größere Ausrüstung, die wiederum empfindlich teurer ist (Segel, Winden, Ankergeschirr,…). Wobei im Idealfall gut proportionierte Ausrüstungsteile nur einmal gekauft werden und unterwegs hauptsächlich verschlissenes Equipment (Segel, Ankerkette, Trossen, Fallen, Schoten,…) erneuert werden muss.
Je nach körperlicher Fähigkeit und Bequemlichkeit der Eigner verlangen größere Yachten außerdem mehr Technik (Rollanlagen der Segel, elektrische/hydraulische Ankerwinden, Dingilift,…).
Dazu kommt, dass größere Yachten mehr Diesel schlucken und in der Regel öfter als kleine Yachten unter Maschine laufen.
Zum anderen bietet eine größere Yacht mehr Platz für Lebensraum und Ausrüstung und vor allem mehr Zuladung. Vom Leben an Land sind Menschen an Platz und Komfort gewöhnt und das Leben auf engen Yachten kann für manche zum Gefühl von Camping werden, was nicht jedermanns Sache ist.
Das Angebot an Lebensraum hängt aber nicht nur mit der Schiffslänge zusammen, sondern mit dem Design. Da sich viele Menschen nicht vorstellen können, auf engem Raum zu leben und viele Yachten für Charter und große Crews ausgebaut werden, wird heute bei vielen Designs besonders stark auf großen Wohnraum geachtet (dummerweise wird dabei teilweise sogar auf Stauraum verzichtet, um große Flächen zu bieten. Absolut inakzeptabel für echte Blauwasseryachten)
Am ersten Blick wirken Yachten mit viel Innenraum als eine bevorzugte Wahl. Man kann sich das Leben in ihnen leichter vorstellen und ist ihre Platzaufteilung von diversen Messebesuchen und Charterurlauben gewöhnt. Gute Blauwasseryachten sind allerdings nicht daran zu erkennen, dass sie „Raumwunder“ sind, sonder an ihrer Seetüchtigkeit.
Obwohl mir bis heute Segler erklären, dass Blauwasseryachten bis zu 80% ihrer Reisezeit vor Anker liegen, ist die Annahme „mehr Innenraum ist gleich mehr Komfort“ eigentlich falsch. Auf Langfahrt fühlen sich die meisten Crew nur dann in ihrer Yacht wohl, wenn sie während der 20 Prozent unterwegs auf Passage angenehmes Seeverhalten, Vertrauenswürdigkeit, Sicherheit und gute Geschwindigkeit bietet.
Da Passagen für viele Reisende unter Segel zu den weniger beliebten Seiten des Blauwassersegelns gehören, ist die Fähigkeit der Yacht während dieser Zeit ausschlaggebend.
Nicht selten treffen wir Crews, die aufgrund der langen Ozeanpassagen das Blauwassersegeln satt sind. Große Yachten erleichtern diese Passagen. Sie sind schneller (Länge läuft!) und arbeiten angenehmer im Wellengang (Gewicht). Unterwegs macht es einen beeindruckenden Unterschied, ob du mit 4 Knoten oder mit 6 Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit rechnen kannst. Das höhere Gesamtgewicht von großen Blauwasseryachten sorgt außerdem für angenehmeres Seeverhalten und hilft der Yacht, auch bei Welle ihre Geschwindigkeit zu halten und nicht von jeder anrollenden Welle gestoppt zu werden.
Viele angehende Langfahrtensegler vermuten, dass Komfort an Bord auch mit der zusätzlichen Ausrüstung zu tun hat. Große Yachten haben Platz für extra Ausrüstung und vertragen mehr Zuladung. Größere Tanks, Solaranlage, Wassermacher, Kühlschrank, Generator, Fahrräder, ein größeres Dingi, Kajaks, Taucherausrüstung, Waschmaschine… Diese Vermutung stimmt allerdings nur zum Teil.
So zum Beispiel bringen größere Tank und extra Stauraum mehr Unabhängigkeit. Mehr Zuladung von Lebensmittel, Wasser, Diesel, Heizmittel… erlauben einen größeren Radius und längere Aufenthalte an einsamen Plätzen. Doch gilt, desto mehr Ausrüstung an Bord ist, desto mehr Ausrüstung bricht, desto mehr sind die handwerklichen Fähigkeiten der Crew gefragt und desto mehr Nerven wird die Crew brauchen beim Versuch, Fachpersonal in fremden Ländern zu finden.
Immer wieder hört man „Wir reparieren uns um die Welt“. Eine bittere Wahrheit für viele Blauwassersegler mit endlosen Ausrüstungslisten und ohne handwerklichen Fähigkeiten. Auch diese Frustration gehört zu den größten Brocken, warum Blauwassercrews das Segeln auf den Nagel hängen.
Und als kleiner Tipp abseits der Schiffsgröße selbst: Segelst du mit weniger Ausrüstung auf einer Yacht los, die durchaus etwas Platz für Extras bietet, findest du schnell heraus, welche Ausrüstung du wirklich vermisst. Diese Ausrüstung kannst du unterwegs kaufen und einbauen (oder einbauen lassen). Du wirst dich über die Neuerung freuen und sie zu schätzen wissen, anstelle mit viel zu viel „unverzichtbaren Komfort“ loszustarten und beim ständigen Reparieren verzweifeln.
Zusammenfassend spricht für große Yachten die Möglichkeit für extra Zuladung, sie sind schneller und im Seegang angenehmer. Bis zu einem gewissen Grad bieten sie länger Sicherheit bei Schwerwetter, da das Verhältnis der Höhe von brechender See zur Schiffslänge im Zusammenhang mit Kenterungen gebracht wird.
Große Yachten bieten Platz für Lebensraum als auch für Besuch und Gesellschaft und können mit mehr Ausrüstung ausgestattet werden. Die zusätzlichen Kosten von großen Yachten hängen viel mit den Fähigkeiten und Vorzügen der Crew zusammen. Wird an Bord alles selber repariert und gewartet und lebt die Crew am liebsten vor Anker, können die Kosten unterwegs auch von größeren Yachten überschaubar bleiben. Werftaufenthalte fallen allerdings alle paar Jahre an und es finden sich nicht immer Plätze, welche auch für große Yachten kostengünstig bleiben.
Ein Nachteil von großen Yachten, der hier noch nicht erwähnt wurde, ist das Handling. Große Yachten machen mehr Arbeit und die Lust an kurzen Segelschlägen ist unter vielen Seglern an Bord von großen Blauwasseryachten erloschen. Man wird zu faul, die schweren Segel für eine Strecke von fünf, sechs Seemeilen auszupacken oder in einer kleinen Bucht aufzukreuzen, um unter Segel vor Anker zu gehen. An Treffpunkten von Fahrtencrews wie zum Beispiel im Königreich Tonga in der Südsee ist es durchaus normal, zwischen den Ankerplätzen kleinere Blauwasseryachten unter Segel zu erspähen, während die großen Yachten unter Motor oder mit nur einem Segel gehisst zu sehen sind.
Auch das An- und Ablegen in betriebsamen Häfen will mit großen Yachten gut geübt werden. Bei einem verpatzten Anlegemanöver kann eine große Yacht nicht per Hand abgehalten werden.
Desto größer eine Yacht, desto abhängiger wird sie obendrein von ihrer Ausrüstung. Zum Beispiel kann das Ankergeschirr unserer 43 Fuß Yacht ohne Ankerwinde nicht mehr an Bord geholt werden. Bricht die elektrische Ankerwinde einer großen Yacht, muss sie zumindest manuell bedienbar bleiben.
Wieviele Meter Blauwasseryacht ist heute zu empfehlen?
Eine Empfehlung von der Ferne zu machen, ist immer schwierig, da die Umstände und Pläne nicht bekannt sind: Wie viele Personen werden auf der Yacht reisen (sind Kinder mit dabei), welche Ziele werden angestrebt, welcher Zeitraum ist ins Auge gefasst, welcher finanzielle Hintergrund ist vorhanden?
Wir haben unterschiedliche Blauwassersegler rund um uns gefragt und erfahren, dass die Crews mit Yachten von 12 bis 15 Meter sehr zufrieden sind.
Zusammengefasst lässt sich vielleicht sagen:
• Die Länge, die man sich leisten kann, soll ́s sein!
• Nicht ganz so groß und dafür sehr seetauglich ist besser als luxuriös groß und billig gefertigt.
• Klein aber unterwegs ist besser als immer noch an Land.
• Wenn ́s finanziell geht, spricht nichts gegen groß, solange das Segeln mit der großen Yacht noch Spaß macht.
Welche Schiffsgröße bevorzugen wir selbst?
Unsere erste Segelyacht IRISH MIST war zehn Meter. Da wir uns die meiste Zeit in gemäßigten und warmen Klimazonen bewegten und kaum persönliche Ausrüstung besaßen, passte die Größe der Yacht zu uns und unseren Finanzen.
Unsere derzeitige Yacht LA BELLE EPOQUE ist dreizehn Meter über Deck und sowohl unsere Reisegeschwindigkeit wie auch unsere Möglichkeiten der Zuladung haben sich verbessert.
Wir leben generell vor Anker und achten darauf, für Arbeiten am Unterwasserschiff preiswerte Plätze zu wählen. Die Größe der Yacht ist somit für uns nicht maßgeblich an unseren Ausgaben verantwortlich.
Die warmen Tropen gehören nicht unbedingt zu unseren bevorzugten Gebieten, wir lieben extrem remote und herausfordernde Reviere. Deshalb überwiegen für uns die Vorteile von großen Yachten. Für unsere bisherigen Reisen über den Nordatlantik und durch die Arktis würden wir keine kleinere Yacht als unsere LA BELLE EPOQUE wählen und einige Meter mehr bevorzugen.
Das liegt einerseits darin, dass große Yachten schneller sind und daher Übersetzer durch gefährliche Seegebiete besser geplant werden können. Andererseits würde die zusätzliche Zuladung einer größeren Yacht interessante Möglichkeiten eröffnen, vor allem, wenn es um Reisen und Überwinterungen in extremen Revieren geht (von zusätzlichen Diesel- und Heizölreserven bis zu spezieller Winterausrüstung wie Tourenski und Campausrüstung für Extrembedingungen…). Das zusätzliche Yachtvolumen einer 16 bis 18 Meter großen Yacht würden wir allerdings auf keinen Fall als zusätzlichen Wohnraum benötigen.