Das Deck der Blauwasseryacht – Teil 1: Klampen und Klüsen

Gewaschenes Teak, poliertes Edelstahl, dazwischen weiß lackierte Deckflächen, die nur mit zartbesohlten Deckschuhen betreten werden dürfen. Möglich, dass dieses Bild in manchen Yachthäfen beeindruckt, doch das Deck einer Langfahrtenyacht muss einiges mehr können als nur schön zu sein. Denn neben Außenfläche und Sonnenterrasse ist unser Deck vor allem eines: unser Arbeitsplatz.

Im Laufe der Jahre haben sich bei uns an Bord einige Erfahrungen an Deck angesammelt. Manche Ausrüstung ist positiv aufgefallen, einige negativ. Etliches würden wir bei einer neuerlichen Restauration unseres Bootes beibehalten, aber einiges werden wir verbessern. Von dem einen oder anderen Deck-Zubehör wurden wir angenehm überrascht, manches wurde von uns abgeändert, anderes bleibt ein Dorn im Auge. Vor allem, wenn der Umbau nur mit massiven Aufwand möglich ist.

Bereitest du dich und deine Yacht zur Langfahrt vor, macht es Sinn, sich einige Gedanken zum Deck zu machen und nicht zimperlich zu werden, wenn es um die Umgestaltung und Verbesserung des eigenen Decks geht. Dabei würden wir allerdings auch empfehlen, einmal über den Rand der Zubehörkataloge zu blicken und nicht unbedingt danach zu gehen, was gerade als modern oder chic gilt.

Klampen und Klüsen

Das beginnt schon bei ganz simplen Zubehör: Klampen und Klüsen! Immer wieder treffen wir auf Yachten, mit viel zu wenigen und zu kleinen Klampen, die obendrein auch noch schlecht befestigt sind.

Immer wieder trifft man Yachten mit zu wenigen Klampen an. Nur wenige Yachten können sich so einfach wie hier abhelfen und die Spring einfach am Schanzkleid festbinden…

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass alle neun großen Poller/Klampen, die wir auf unserem Deck verteilt haben, im Einsatz sind und keine davon überflüssig oder zu groß ist. Die vier großen Poller am Bug (2 Doppelkreuzpoller und zwei Knopfpoller) sind nicht nur während der Hafentage im Einsatz, wir machen an ihnen auch Ankertrossen und Ankerwinden- Entlastung fest.

Doppelrolle und Knopfpoller am Verdeck von LA BELLE EPOQUE

Die beiden Doppelkreuzpoller und der zentrale Kreuzpoller am Heck sind gerade ausreichend, sehr oft (speziell in rauen Häfen mit hohen Wänden abseits Yachthäfen) belegen wir außerdem zusätzliche Achterspring an den beiden großen Klampen am Seitendeck. Diese beiden Extra-Klampen haben sich schon sehr oft als praktisch erwiesen und wir raten jedem Fahrtensegler zu starken Klampen/Poller am Seitendeck.

Große Klampen/Poller am Seitendeck sollten auf jeder Blauwasseryacht montiert sein.

Verholen wir LA BELLE EPOQUE mit Landleinen in einer Ankerbucht, um für schweres Wetter gewappnet zu sein, sind die beschriebenen neun Poller/Klampen gerade ausreichend. Weniger oder kleinere Klampen/Poller wären spätestens jetzt ein Problem, da die dicken Polysteel Schwimmtrossen, die als Landleinen benutzt werden, an kleinere Klampen kaum zu befestigen wären.

Muss die Yacht mit zusätzlichen Landleinen gesichert werden, überfüllen die dicken Schwimmtrossen schnell die Klampen. (Porto Williams bei Kap Hoorn)

Nicht nur Yachten, die in den Hohen Breiten oder abseits der gängigen Blauwasserrouten unterwegs sind, müssen mit stabilen Klampen ausgerüstet sein, denn spätestens im Panamakanal wird die Sache ernst: Schlecht montierte Klampen in dünnen GFK-Deck reißen unter der Belastung in den Schleusen aus! Deshalb wird von der Kanalbehörde empfohlen, Klampen (auf GFK-Yachten mit großen Sperrholzplatten) unter Deck zu unterfüttern.

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Nicht nur die Größe der Klampen ist ausschlaggebend, sondern auch ihre Befestigung. Das gilt für jedes Segelrevier (hier: Horta/Azoren)

Die Klampen/Poller alleine sind allerdings nur halbe Ausrüstung und ohne stabilen Klüsen nur wenig wert, ausgenommen, sie werden direkt über dem Rumpf (oder so hoch) montiert, dass Trossen nicht scheuern können. Auf Langfahrt kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Yacht immer in einen optimalen Yachthafen liegt, um auf gutes Wetter zu warten. Selbst kleine Wellen im Hafen führen schnell dazu, dass Trossen durchscheuern, in schweren Bedingungen ist selbst Schamfilschutz schneller durchgescheuert als befürchtet.

Gut dimensionierte und abgerundete Klüsen sind deshalb besonders wichtig. Eine Fahrtenyacht sollte nicht mit offenen Klüsen oder Lippen ausgerüstet sein, unserer Erfahrung nach springen Trossen bereits bei kleinen Wellen aus den offenen Klüsen, ganz zu schweigen, wenn die Yacht an einer hohen Mauer vertäut wird oder in einem Tiden-Revier an die Pier geht. Nur geschlossene Klüsen oder Lippen arbeiten zuverlässig!

Hübsch, aber auf Langfahrt nicht ausreichend: Nur eine Klampe am Vordeck und eine winzige Klüse, die auch noch offen ist. Selbst in einem Hafen wird diese Yacht bei Schwerwetter Schaden davontragen.

Ist die Yacht nicht mit einem Schanzkleid ausgestattet, muss eine geschlossene Lippe auf Deck verschraubt oder geschweißt werden. Eine Alternative wäre auch eine Lippe, die verschließbar ist, wie diese interessante Variante, die wir an Bord eines Bootes der isländischen Küstenwache gesehen haben.

Verschließbare Klüse (gesehen auf einem Rettungskutter in Island)

Yachten mit Schanzkleid haben es einfacher: Durchgänge, die mit abgerundetem Metall versehen sind, arbeiten hervorragend. Diese Durchgänge müssen ausreichend dimensioniert werden und sollten besser zu groß als zu klein ausfallen. Mindestens zwei starke Trossen mit Scheuerschutz müssen durch diese Klüsen passen. An Bord LA BELLE EPOQUE passen durch die vorderen Klüsen zwei Trossen mit Schamfilschutz gerade eben, wir würden uns größere Klüsen wünschen!

Nur geschlossene Klüsen funktionieren auf Langfahrt. Sie müssen groß genug für mehrere Trossen mitsamt Scheuerschutz sein. (hier: die Klampen und Klüsen der WANDERER IV in Neuseeland)

 

In einer Woche gehts weiter: Am Donnerstag, dem 1. Oktober 2020 werden wir im zweiten Teil der Serie  „Das Deck der Blauwasseryacht“ über Ankerrollen und Ankerklüsen, Bugbeschläge und Bugsprit erzählen. Wenn du jetzt schon alle Teile dieser Serie lesen möchtest, gibt’s hier die volle PDF Decksausrüstung zum gratis download.

 

 

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