Ankererfahrungen nach über tausend Nächte vor Anker!
Leben unter Segel – für die meisten Blauwasser Segler heißt das gleichzeitig auch Leben vor Anker! Und das ist auch schön so, bringt doch Ankern die Unabhängigkeit mit sich, dort zu verweilen wo es einem gefällt während dabei auch noch das Budget geschont werden kann. Und der finanzielle Hintergrund ist für viele Blauwassersegler natürlich ein guter Grund zu Ankern, wäre doch das hart ersparte Budget schnell aufgebraucht, wenn Nacht für Nacht 20 bis 50 Euro Hafengebühr zu bezahlen wäre. Doch auch jene Segler, die weniger auf ihre Finanzen achten müssen, haben immer wieder mal guten Grund, vor Anker zu liegen. Sei es, um eine schöne Bucht genießen zu können, oder eine wenig ausgebaute Insel zu besuchen, die Abende gemeinsam mit befreundeten Segler zu verbringen oder eben die Einsamkeit einer versteckten Ankerbucht zu entdecken. Oder – Schlimmstenfalls – um einen Sturm so sicher wie möglich abzuwettern.
Wahrscheinlich kann man sogar guten Gewissens behaupten, dass die wenigsten Blauwassersegler so viele Nächte unter Segel verbringen als vor Anker – freilich ohne dass ich diese Behauptung jedoch nachgeprüft habe!
So ist es doch verständlich, dass das Thema Ankern eine wichtige Rolle unter Langstreckensegler spielt – was auch gut so ist. Immer wieder drehen sich die Gespräche (am Ankerplatz, wo sonst?!) ums Ankergeschirr und um die verschiedenen Praktiken, wie dieses Geschirr auch zum Einsatz kommt. Natürlich ist fast jeder Segler von seinem Ankertyp überzeugt, manchmal löst das Ankerthema eine regelrechte Glaubensfrage aus.
Doch zum Ankern gehört bei weitem mehr als der Ankertyp selbst, der an Bord mitgefahren wird, den es kommt auf die gesamte Ausrüstung und eben auch auf das richtige Manöver an, um sicher und entspannt die Nacht in einer schönen Bucht verbringen zu können.
Unter Ankerausrüstung versteht man: den gut dimensionierten Buganker mitsamt seiner Kette und Trosse, einen Heckanker mit Kettenvorlauf oder Kette und Trosse, ein oder mehrere Ersatzanker, Ersatzkette, zusätzliche Trosse, wenn nötig eine zum Schiff und Crew passende Ankerwinde, sehr starke Klampen, die auch bei schweren Bedingungen nicht auszureisen drohen, eine gut durchdachte Ankerklüse, Ankerboje und nicht zuletzt ein starkes Dingi mit Außenborder, mit dessen Hilfe auch ein Notanker ausgebracht werden kann. Die Dimensionierung der Anker und des Geschirrs fällt meist noch leicht, gibt es doch genug schlaue Tabellen, an denen man einfach ablesen kann, wie schwer der Anker für die eigene Schiffsgröße auszufallen hat.
Ja, und genau da fängt der Krugs schon an: Anker für die Schiffsgröße?!? Das klingt ja fast so, als macht es keinen Unterschied, ob ein modernes 13m Schiff mit einer Verdrängung von vielleicht 12 Tonnen sicher verankert werden sollte oder sagen wir mal unsere adrette Stahllady mit ihren vollgeladenen 20 Tonnen! Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich kein Auge zu machen würde, wäre La Belle Epoque mit einem Anker für einen netten 10- Tonner gesichert.
Der Ankertyp wird auf vielen Ankerplätzen rund um den Globus immer wieder heiß diskutiert. Denn oft ist der Ankertyp eine Frage des Geschmacks. Auch gibt es viele verschiedene Anschauungen bezüglich teurer Originale und billigeren Nachbauten. Zu den meist gelobten Ankern unter den deutschen Seglern gehört sicherlich der Bügelanker, der Pflugschar (bzw. CQR) und der Bruce- oder M-Anker. Da die meisten Anker je nach Ankergrund verschieden gut halten, ist es allerdings schwer, diese Diskussionen wirklich zu Ende zu führen. Deshalb ist es am einfachsten, sich nicht auf einen Ankertyp an Bord zu verlassen, sondern verschiedene Anker, am Besten für verschiedenste Ankergründe, zu wählen.
Um die Länge der Kette bestimmen zu können, muss erst mal bedacht werden, in welchem Gebiet hauptsächlich geankert werden soll. Denn die Kettenlänge sollte zumindest das 5fache der Wassertiefe am Ankerplatz betragen. Weiß man nun, dass man ohnehin keine Ankerplätze über 6m Wassertiefe anläuft, genügen 30m Kette, vorausgesetzt, es ist noch Trosse für schwere Bedingungen vorhanden. Auf Blauwasseryachten haben sich im Durchschnitt Kettenlängen von ca. 50 Meter eingebürgert. Sollte es Bedenken geben, dass die Yacht nicht so viel Gewicht an ihrem Bug verträgt, ist es besser, den Anker mit samt der Kette für Überfahrten vom Bug zu nehmen und in der Bilge zu verstauen, anstelle auf einen schweren Anker mit ausreichend Kette zu verzichten.
Vorsicht auch bei allen Schäkeln und Wirbeln, die als Verbindungsglieder verwendet werden.
Das Geschirr ist nur so stark wie der schwächste Teil, billige No-Name Schäkel ohne angegebene Bruchlasten haben am Ankergeschirr nichts verloren! Selbstverständlich müssen alle Schäkel mit Draht gegen das Aufdrehen gesichert werden.
Der Anker mit der Kette muss außerdem an eine starke Trosse gespleißt werden. Da die Empfehlungen bei der ca. 1,5 fachen Länge der Kette liegen, hat sich an Bord der meisten weit reisenden Fahrtenyachten eine Trosse von 70 bis 100m Länge bewährt. Meist ist ohnehin noch Ersatztrosse an Bord.
Anmerken will ich noch, dass alternativ zum Ankergeschirr aus Kette und Trosse auch eine Winde mit Stahlseil gefahren werden kann. Mit Reitgewichte beschwert haben wir auch damit gute Erfahrungen machen können, auch wenn diese Variante heute so gut wie von der Bildfläche verschwunden ist.
Wie schon in der Tabelle zu sehen, gehört auch ein gut dimensionierter Zweitanker mit an Bord, der jedoch nicht unbedingt am Bug gefahren werden muss. Auch der zweite Anker sollte mit annähernd so viel Kette und Trosse wie der Hauptanker ausgestattet sein. Viele Blauwassersegler haben obendrein noch 1 bis 2 weitere Ersatzanker mit Kettenvorlauf an Bord, was nicht nur den Verlust eines Ankers leichter verschmerzen lässt, sondern auch mehr Möglichkeiten und Sicherheit in einer echten Notsituation gibt.
Als praktisch erweist sich obendrein, einen kleineren Heckanker mit Kettenvorlauf und Trosse fix am Heck zu fahren, am Besten fertig auf einer Trommel belegt. Teilweise hat sich auch der Heckanker am Gurtband durchgesetzt, praktisch vor allem auf Yachten mit weniger Platz. Gerade wenn die Yacht mit mehreren Bugankern gesichert wird, ist so das
Ausbringen des Heckankers kein großes Thema, damit sich die Yacht nicht über die eigenen Anker verdreht und diese so wieder ausreißt.
Das beste Ankergeschirr bietet allerdings keinen Schutz, wenn die Bugrollen, Ankerklüsen und die Klampen die Belastung einer wild am Anker reissenden Yacht nicht standhalten. Bei den meisten schweren Klassikern zwar kein Thema, müssen gerade Eigner moderner Leichtbauyachten hier ihre Belegpunkte nachprüfen. Die meisten, im Yachthandel angebotenen, Bugrollen bieten der Kette oder Trosse zu wenig Seitenhalt, bei schwerer Schiffsbewegung kann die Kette/Trosse von der Bugrolle springen und großen Schaden am Bug anrichten, beziehungsweise – bei Trosse – schamfilen. Klampen und Winden müssen mit einer stabilen Gegenplatte verschraubt sein, damit der Anker nicht die gesamte Winde oder Klampe aus dem Deck reißen kann. Soll ein schwerer Sturm vor Anker abgewettert werden, beruhigt es ungemein, zu wissen, dass alle betroffenen Teile am Schiff einwandfrei den Belastungen standhalten.
Heute ist es schon fast alltäglich, das Surren der elektrischen Ankerwinde am Morgen zu hören, nur noch wenige Yachten sind auf Langfahrt ohne elektrischer Ankerwinde unterwegs. Doch auch manuelle Winden sind eine gute Alternative und noch immer am Markt erhältlich.
Fährt die Yacht ohne Winde los, muss darauf geachtet werden, dass sich nicht früher oder später einbürgert, dass zu wenig Kette oder Trosse gesteckt wird, damit die Crew weniger Arbeit beim Einholen hat. Um den Heckanker ohne Winde wieder leicht einholen zu können, ist es am Einfachsten, den Anker mit einer Ankerboje zu versehen, so kann der Anker ohne große Anstrengung mit dem Dingi geborgen werden.
Nach wie vor trifft man unterwegs noch genug Yachten, die auf das Setzen eines Ankerlichtes verzichten. Eigentlich unbegreiflich, kann man sich doch heute mit LED gegen das Stromproblem abhelfen. Auch gegen die traditionelle Petroleumlampe gibt es nichts einzusetzen, sollte die ankernde Yacht nicht genug Stromreserve an Bord haben. Besonders geschickt sind natürlich auch Ankerlichter mit eingebautem Sensor, damit sich das Licht bei Dunkelheit einschaltet. So muss das Licht nicht den ganzen Tag über laufen, sollte mal der Landgang etwas länger ausfallen. Je nach Ankerbucht hat es sich außerdem bewährt, zusätzlich zu dem am Top montierten Ankerlicht eine kleine Lampe zur Hand zu haben, die am Bug oder Heck aufgehenkt werden kann. Denn in manchen Ankerbuchten, speziell vor dem Lichtermeer einer Stadt, ist das Toplicht am Mast für einlaufende Yachten nur schwer ausfindig zu machen.
Der Ankerball, das Ankerzeichen für den Tag, wird nur noch von den wenigsten Yachten gesetzt, eigentlich unverständlich, ist es doch keine erwähnenswerte zusätzliche Arbeit, den schwarzen Ball an einen Want zu binden.
Die beste Ausrüstung allerdings hilft nur bedingt, wenn die Crew das Geschirr einfach von Bord schmeißt und glaubt, somit ein Ankermanöver gefahren zu sein. Trotzdem kann man ein derartiges „Ankermanöver“ in etlichen Buchten immer wieder beobachten. Ordentlich verankert ist die Yacht allerdings erst, wenn der Anker auch richtig eingefahren worden ist:
Nachdem der gewünschte Platz ausgesucht ist, muss die Yacht in den Wind gedreht und abgestoppt werden. Sobald sie beginnt, rückwärts zu treiben, wird zuerst Anker mit Kette in der ungefähren doppelten Wassertiefe gesetzt. Die Yacht treibt weiter rückwärts, sobald der Anker zu greifen beginnt, muss Kette nachgesetzt werden. Aber nicht einfach auf einmal und auf einen Haufen, sondern schön langsam, bis die (zur Wassertiefe fünffache) Ketten unten ist. Nun gehört die Kette belegt und erst mal vorsichtig mit der Maschine rückwärts gedampft. Dabei einen markanten Punkt an Land peilen um zu sehen, ob der Anker hält. Nach und nach den Druck erhöhen, indem man mehr Gas gibt. Dabei nicht zu vorsichtig sein, der Anker muss auch ordentliches rückwärts dampfen halten können!
Hält der Anker, kann das lästige Einrucken der Kette noch mit einer extra Leine gedämpft werden. Auch wenn die Crew noch so neugierig auf die neue Umgebung ist, trotzdem sollte die Yacht vorerst nicht fluchtartig verlassen werden. Man kann sich ja jetzt beim Aufklaren des Decks etwas mehr Zeit lassen und dabei die Ankerposition noch ein wenig im Auge behalten.
Segelt die Yacht ohne Motor oder funktioniert der „Eiserne Judas“ wieder einmal nicht, kann der Anker -sofern die Ankerbucht groß genug ist – auch unter Segel eingefahren werden. Dazu wird einfach ein Kurs vor dem Wind auf den gewünschten Ankerplatz gesteuert und der Anker mit viel Kette und Trosse während der Fahrt geworfen. Hält der Anker, dreht sich die Yacht abrupt in den Wind. Dieses Manöver ist allerdings nichts für schwache Nerven und wir haben schon erlebt, wie die Crews der bereits ankernden Boote alarmiert an Deck springen!
Wird mit Bug- und Heckanker geankert, sollte darauf geachtet werden, dass neu ankommende Yachten den eigenen Heckanker sehen, da das Boot ja nun nicht mehr mit den anderen mit schwoit.
Mehrere Buganker können in Reihe oder nebeneinander in V- Formation ausgebracht werden. Beide Varianten bringen sehr gute Ergebnisse, wobei bei mehreren Anker nebeneinander darauf geachtet werden muss, dass sich die Yacht nicht über den Ankern schwojen kann und so die Ketten ineinander verheddern. Obwohl der Zweitanker in der Regel auch von Bord aus ausgebracht werden kann, kann man in die Situation kommen, dass ein starkes Dingi zum Ausbringen eines Ankers nötig wird. Wir mussten zum Beispiel einmal die Erfahrung machen, dass eine unbemannte Yacht den eigenen Anker über den Grund schleppte, bis sie sich schließlich in unseren Heckanker verfing. Da Starkwind tobte, schafften wir es nicht mehr, mit unserem Motor beide Schiffe gegen Wind und Strömung zu dampfen, um einen zweiten Anker zu setzten. Den Heckanker los zuschmeißen und die fremde Yacht somit auf die Klippen zu setzten war ebenfalls keine Option für uns. Beide Yachten mittels Motorunterstützung zu halten war keine gute Aussicht und nur mit Hilfe eines – nahe ankernden – Freundes und mit Einsatz seines Dingis mit starken Außenborder konnten wir einen weiteren Anker setzen und so beide Yachten sicher. Ohne seiner Hilfe hätten wir früher oder später die unbemannte Yacht samt unseres Heckankers aufgeben müssen!
Weiß man nichts über die Beschaffenheit des Grundes, kann ein Handlot aufschlussreich sein. Mit ein wenig Übung lässt sich mit dem Handlot die ungefähre Bodenbeschaffenheit bestimmen. Unserer Erfahrung nach sind sehr weicher Schlick, Gras und harter Fels nahezu unmögliche Ankergründe. Auf Koralle sollte schon aus Naturschutzgründen nicht geankert werden, wer es dennoch versucht, verliert in vielen Fällen den Anker, da die scharfen Korallenbänke Ankertrossen durchscheuern oder sich die Kette derart um die Korallen wickelt, dass sie nicht mehr hochzubekommen ist.
Besonders abwechslungsreich ist die Möglichkeit in nördlichen Schären und Fjorden, beziehungsweise den Ankergründen von Patagonien, das Boot mittels langen Trossen zwischen Felsen und Bäumen zu verholen.