Die unaufhaltsame Yacht – Teil 2: Das K.I.S.S.-Prinzip

Im ersten Teil dieser neuen Serie haben wir die beiden alten Grundregeln vieler Blauwassersegler genannt: Das K.I.S.S-Prinzip und die Idee der „unstopable yacht“ – der „unaufhaltsamen Yacht“. Aber was genau soll das eigentlich heißen?

K.I.S.S-Prinzip – Keep it simple & stupid

Sinngemäß heißt das „mach es so einfach wie möglich“. 

Es ist ein Grundsatz, dem viele unterschiedliche Segler und Bootseigner nachkommen. Auf der Seite gezeit.at findet sich zum K.I.S.S.-Prinzip folgendes:

Es geht angeblich auf den amerikanischen Flugzeugkonstrukteur Clarence Johnson (1910-1990) zurück, der seine Ingenieure vor die Aufgabe stellte, ein Triebwerk zu entwickeln, das von jedem Mechaniker mit einfachstem Werkzeug repariert werden kann. Ein kluger Ansatz, der auch für uns an Bord gelten sollte. Dazu kommt die simple und fast schon existentialistische Überlegung: Was ich nicht habe, kann auch nicht kaputt werden.

„Keep it simple & stupid“ ist also ein einfacher Grundgedanke, der vor allem dort angewendet werden soll, wo wir uns mit einfachen Mitteln selber helfen müssen. 

Motorwartung

Übertragen auf die Blauwasseryacht bedeutet es:

Die Yacht soll technisch so ausgestattet sein, dass sie möglichst mit Bordmitteln gewartet und repariert werden kann. 

Gepaart mit dem Gedanken „Was nicht an Bord ist, kann auch nicht brechen“ ergibt dieses Prinzip also eine spartanisch ausgestattete Yacht, oder?

Aber ganz so einfach ist es leider nicht. Denn der Teufel steckt im Detail. Das einfache „Weglassen“ von Ausrüstung kann auf Blauwasserfahrt auch gefährlich werden.

Anstelle des einfachen Verzicht auf Ausrüstung müssen wir unterscheiden:

  • unverzichtbare Ausrüstung, die der Sicherheit von Schiff und Crew dient
  • nützliche Ausrüstung, die uns das Leben als Blauwassercrew erleichtert
  • verzichtbare Ausrüstung, die uns nur solange das Bordleben versüßen, solange wir mit dieser extra Technik oder Elektronik an Bord umgehen können.
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Verschiedene Faktoren spielen bei dieser Unterscheidung zwischen unverzichtbare, nützlicher und verzichtbarer Ausrüstung eine Rolle: die Yacht (und ihre Größe) selbst, das gewünschte Fahrgebiet und die Fähigkeiten der Stammcrew.

Ist an Bord einer kleinen Segelyacht, mit der eine Atlantiküberquerung von Europa in die Karibik von einer sportlichen Crew geplant wird, ein Dieselantrieb durchaus verzichtbar, so wäre der Ausbau des Motors auf einer schweren Blauwasseryacht, mir der ein Törn durch die Kanäle Patagoniens geplant wird, ein gefährlicher Fehler.

Ankern in Patagonien

Während vielen Seglern das K.I.S.S.–Prinzip geläufig ist, ist der zweite große Grundsatz – das „unstopable cruising boat“ wohl schon weniger bekannt. Also was genau steckt dahinter?

Die unaufhaltsame Yacht

Vor allem die nordamerikanischen Fahrtensegler Lin und Larry Pardey haben diesen Begriff geprägt, indem sie den Grundsatz hatten:

Die Blauwasseryacht muss nicht nur stark und seetüchtig sein. Ihre Systeme müssen so konzipiert sein, dass Ausfall und Gebrechen nicht dazu führen darf, dass sie nicht mehr weitersegeln kann. Bruch und Pannen von Ausrüstung darf nicht dazu führen, dass die Yacht und ihre Crew abhängig von kostspieliger und vielleicht nicht erreichbarer Hilfe von Außen wird.

Einfach gesagt: Ausfälle dürfen die Yacht nicht stoppen können!

Es ist ein Grundsatz, der viel mehr beinhaltet als einfachen Minimalismus und die Idee, auf Ausrüstung zu verzichten:

  • Eine unaufhaltsame Yacht bedeutet, dass für alle überlebenswichtigen und sicherheitsrelevanten Systeme Backup an Bord ist.
  • Es bedeutet, dass die Crew die Fähigkeiten und Möglichkeiten hat, alle Technik an Bord am Laufen zu halten.
  • Es bedeutet, dass einzelne Systeme möglichst einfach laufen und dass Schwachstellen schon vorab ausgemerzt werden.
  • Und es bedeutet auch, dass die Crew beim Komplettausfall von Systeme oder Technik andere Möglichkeiten an Bord hat oder findet, um mit der Yacht in einen sicheren Hafen zu gelangen.
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In den kommenden Berichten dieser Serie werden wir deshalb nicht nur gezielt auf viele Bereiche und Ausrüstung der Blauwasseryacht eingehen. Wir werden ebenso nötige Fähigkeiten der Crew besprechen. Und wir werden an Hand von Erfahrungen und Notfällen überlegen, welche Möglichkeiten die Crew hätte, um sich selbst und die Yacht in einen sicheren Hafen zu bringen. 

lädierte Yacht im Schlepp
Wir schleppen eine lädierte Yacht bis zum nächsten Hafen. Doch nicht überall kann damit gerechnet werden, dass Hilfe in der Nähe ist.

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