Sturmsegeln Spezial Teil 12 – Das Trysegel

Obwohl wir über vier Reffreihen in unserem Großsegel verfügen, haben wir dennoch ein Trysgel mit dabei. Also ein kleines, dreieckiges Segel, das Anstelle vom Großsegel im Sturm zum Einsatz kommen kann.

Aber es genügt nicht, ein Trysegel zu kaufen und an Bord zu verstauen. 

Denn das Anschlagen eines Tryssegel im Schwerwetter kann für eine ungeübte Crew auf einer nicht vorbereiteten Hochseeyacht nahezu unmöglich werden.

Ein Trysegel kommt erst dann zum Einsatz, wenn das (meist dreifach) gereffte Großsegel zu groß geworden ist. Das heißt, es stürmt bereits, die See geht hoch und die Gischt fliegt. Und das Arbeiten auf Deck ist gefährlich.

Nun das Großsegel abschlagen, um die Mastschiene für das Trysegel frei zu haben, kostet nicht nur Zeit. Es ist ein extrem gefährliches und anstrengendes Manöver. Außerdem kann das Großsegel dabei Schaden nehmen. 

Deshalb muss die Yacht für die Verwendung eines Trysegel mit einer zweiten Mastschiene ausgestattet werden. Diese zweite Mastschiene läuft parallel zur Großsegelschiene, endet aber nicht am Lümmelbeschlag. Die Trysegel-Schiene wird bis zum Deck durchgezogen. So kann das Segel bereits vor dem anziehenden Sturm angeschlagen und in einem eigenen Segelsack auf Deck verstaut werden.

Eine eigene Mastschiene für das Trysegel führt am Lümmelbeschlag vorbei bis zum Deck.

Wichtig ist, diese Anordnung so zu gestallten, dass das unbenützte Trysegel die Arbeit am Großsegel (zum Beispiel das Reffen) nicht behindert. Andererseits soll für das Hissen des Trysegels notfalls nicht mehr als eine Person an den Mast nötig sein. 

Ist die Yacht zusätzlich mit einem zweiten Großfall ausgestattet, kann das Trysegel sogar gesetzt werden, bevor das gereffte Großsegel ganz eingeholt wird. So bleibt die Yacht während des gesamten Vorgangs manövrierfähig.

Noch bevor der aufziehende Sturm die Langfahrtyacht erreicht, wird das Trysegel an seiner eigenen Mastschiene angeschlagen und ist damit sofort einsatzbereit.

Manche Segler empfinden, dass ein einsatzbereit am Mast gefahrenes Trysegel generell im Weg ist und unnötig erhöhter UV-Belastung ausgesetzt wird. Aber du kannst das Trysegel bei Schönwetter ohne weiteres unter Deck verstauen. Sobald die Wetterberichte die Möglichkeit von Schwerwetter zeigen, hast du genug Zeit, um die Yacht entsprechend vorzubereiten. Dann kannst du auch das Trysegel anzuschlagen und am Mastfuß verzurren. 

Übe das Setzten der Sturmbesegelung vorab am Ankerplatz oder bei Schönwetter immer wieder mal. 

Das Trysegel setzen

Das Trysegel wird knapp oberhalb des verzurrten Großsegels gesetzt, sodass es nicht am niedergezurrten Großsegel schamfilen kann. Dadurch kann der Hals des Segels nicht direkt am Lümmelbeschlag befestigt werden. Ein Verbindungsstropp in passender Qualität und Länge ist nötig. 

Das Trysegel wird oberhalb des verzurrten Großsegels angeschlagen, Bildquelle: https://www.uksailmakers.de/

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der unterste Rutscher am Hals des Trysegels erheblichen Druck auf die Mastschiene verursachen kann. Je nach Konstruktion könnte der Druck hoch genug werden, um die Mastschiene zu beschädigen oder den Rutscher auszureißen. 

Deshalb sichern wir zusätzlich den Hals des Trysegels mit einer Leine rund um den Mast (ähnlich einer Koralle bei traditionellen Gaffelsegel). Das Setzen dieser Sicherheitsleine ist allerdings aufgrund der Höhe des Trysegelhalses am Mast nicht ungefährlich. Notfalls müssen Maststufen bis zur richtigen Höhe montiert sein (Sicherungsgrut tragen!).

Trysegel ohne Großbaum setzen

Traditionell werden Trysegel ohne Baum gefahren. Dies ist besonders bei Yachten mit langen Großbäumen von Vorteil. Auch bei extremer Kränkung läuft die Yacht nicht Gefahr, den Baum durchs Wasser zu schleppen. 

Traditionell wird das Trysegel ohne dem Großbaum gefahren. Bildquelle: maritimusboote.de

Außerdem wird das Rigg geschont, da der Großbaum keinen Druck auf den Masten ausübt und selber nicht in Bruchgefahr kommt.

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Der Großbaum wird sturmfest niedergelascht. Im Schothorn des Trysegels sind eigene Schoten eingeschoren, die über Winden im Cockpit bedient werden. Das Trysegel wird also ähnlich eines Vorsegels bedient. Achte darauf, mit passenden Blöcke für Holepunkte ausgestattet zu sein und den Großbaum sicher zu verzurren.

Nachteilig ist, das bei vielen Yachten das Trysegel sehr hoch am Masten gefahren werden muss, um klar von allen Aufbauten zu sein. Der Segeldruckpunkt wandert somit zu weit nach oben. Auch kann das Trysegel nicht für jeden Kurs optimal getrimmt werden kann. Da das Trysegel auf Vorwind-Kurs nicht ausgebaumt wird. Der Kurs vor achterlichen Winden ist damit eingeschränkt und die wichtige Sturmtaktik des Ablaufens wird dadurch nicht erleichtert. Auch schlagen die Schoten beim Hissen des Segels wie wild im Cockpit und können ein Crewmitglied ernsthaft verletzten. 

Trysegel am Großbaum setzen

Etwas unorthodoxer ist die Variante, das Trysegel am Großbaum zu setzen. Der Vorteil dieser Variante liegt darin, dass das Segel auf allen Kursen gut getrimmt werden kann und die Segeltaktiken nicht eingeschränkt werden. Auch ist diese Variante eine Alternative, wenn die Aufbauten deiner Yacht das baumlose Trysegel zu sehr behindern.

Wir fahren das Trysegel am Großbaum angeschlagen. Mithilfe einer Talie wird das Trysegel auf der Baumnock angeschlagen und mit einer Lasching um den Baum gesichert. Dadurch können wir das Trysegel auf allen Kursen optimal trimmen.

Das Schothorn des Trysegel wird mit einem Stropp (wir verwenden eine Talie) auf der Baumnock fixiert. Mit einer Lasching kannst du zusätzlich das Segel um den Baum gesichert. Achte darauf, das Großsegel dabei nicht einzuklemmen und zu beschädigen.

So gesetzt trimmst du das Trysegel wie ein gewöhnliches Großsegel mit der Großschot.

Nicht jedes Standard-Trysegel passt. Durch den Segelschnitt konventioneller Trysegel wandert das Segel beim Fahren auf den Baum besonders hoch auf den Mast. Das verschlechtert den Segeldruckpunkt. 

Wir empfehlen, von einem guten Segelmacher (zum Beispiel UK Sails Deutschland) ein passendes Trysegel für deine Yacht schneidern zu lassen. 

Nachteilig dieser Abwandlung sind die Belastungen am Rigg und das Risiko einer Halse im Sturm. Der Baum muss zu jeder Zeit durch einen gut dimensionierten Bullenstander gesichert sein. 

An Bord von La Belle Epoque haben wir generell beidseitig Bullenstander am Vordeck durch Blöcke bis zum Cockpit umgelenkt. Der jeweilige Bullenstander wird bereits bei Halbwind von uns am Baum eingehakt. Also noch bevor der Baum über die Seite ragt und du die Baumnock nicht mehr erreichen kannst. Mit den Cockpitwinden kannst du den jeweilig arbeitenden Bullenstander trimmen, ohne das Cockpit noch verlassen zu müssen.

Üben, üben und nochmal üben!

Wie sämtliche Schwerwettermanöver, musst du und deine Crew sowohl das Reffen aller Reffs im Großsegel wie auch das Setzen des Trysegels  immer wieder üben. Nur so kann es im Ernstfall funktionieren.

Dennoch wird das Manöver in Realität nur selten nötig sein und der Ablauf der einzelnen Arbeitsschritte rückt gerne in Vergessenheit. Hilfreich ist es deshalb auch, die einzelnen Arbeiten und Holepunkte in einem eigenen technischen Logbuch der Yacht zu vermerken. So werden später kein Schritt vergessen und keine Anschlagpunkte verwechselt.

 Deshalb haben wir in unserem „Technischen Logbuch“ einen eigenen Bereich für Sturmsegel vorgesehen. Das Buch ist erschienen bei BoD, ist im guten Fachhandel, online im Fachhandel, über Amazon oder direkt bei uns erhältlich!

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