Partnerschaft an Bord – Teil 7 – Gemeinsam in einem Boot

Respekt für einander

Es geht nicht nur darum, euch zu besprechen, wenn bereits die Entscheidung für ein Manöver gefallen ist. Gerade am Start einer Reise ist es wichtig, dass ihr die Einschätzung eures Partner an Bord ernst nehmt, auch wenn euer Gefühl anders sagt. 

Vor allem, wenn es darum geht, wenn ein Partner an Bord Bedenken oder gar Angst bekommt! Vor allem, wenn der Wind zulegt. An Bord müsst ihr euch beide wohlfühlen können. Deshalb haben wir uns an Bord eine wichtige Regel angewöhnt:

Gerefft wird, wenn einer ausspricht, dass gerefft werden sollte!

Respektiert auch die Einschätzung eures Partners – Verkleinert die Segel, sobald es der erste von euch verlangt!

Das gilt auch dann, wenn du dir sicher bist, dass das Manöver verfrüht ist. Doch dein Partner an Bord muss selber erfahren, mit wie viel Wind das Boot umgehen kann.

Und als Beispiel dazu können wir euch von unserer eigenen Reise erzählen:

Frühsommer 2010. Wir sind vor einem Monat aufgebrochen. Haben mit unserem neuen Boot La Belle Epoque die ersten Meilen gesegelt und gewöhnen uns langsam erneut an das Gefühl, unterwegs zu sein.

Allerdings bin ich La Belle Epoque noch nicht gewöhnt. Wie auch, sind wir doch bisher mit auf Deck verzurrten Masten über die Flüsse und Kanäle gefahren. Sind wir doch bisher nur wenige Seemeilen durch die Nordsee schippert. 

Die schwere Yacht gibt zwar ein sehr sicheres Gefühl, aber sie reagiert anders als unser erstes Segelboot. Durch ihren S-Spant kombiniert mit einem hohen und komplexen Rigg kränkt La Belle Epoque besonders schnell. Und, in alter Bootsbautradition, hat La Belle Epoque wenig Freibord. Es dauert also nicht lange, bis sie ihr Seitendeck durchs Wasser zieht. Und daran muss ich mich gewöhnen.

LA BELLE EPOQUE zieht schnell ihr Seitendeck durchs Wasser – und daran musste ich mich erst gewöhnen!

Wir verlassen die deutsche Küste, segeln die Nordsee hoch und biegen in den Limfjord ein. Nützen die wenigen Ankerplätze und segeln bei schönstem Frühlingswetter in die Ostsee.

Bis wir östlich von Langeland in böigen Wind geraten. Wieder krängt La Belle Epoque über, zieht ihr Deck durchs Wasser und lässt mir die Gänsehaut stehen. Sofort kommt mein Resümee: Wir müssen Reffen!

Jürgen ist erstaunt. Warum jetzt schon reffen? Ist doch nur eine Böe. Das Boot läuft ja nicht einmal aus den Kurs! Aber gut, wir reffen!

Erstaunlich schnell ist das erste Reff ins Großsegel eingebunden, nachdem die Genua auf die Fock gewechselt war. La Belle richtet sich etwas auf und wird langsamer. Und langsamer. Jürgen lacht. Ich sitze im Cockpit und ärgere mich über mich selber. Weshalb genau wollte ich eigentlich reffen?

Ich knirsche mit den Zähnen und stehe bald wieder am Baum. Schüttle das Reff aus dem Segel und lass dem Segelboot wieder freien Lauf!

Bald schon gewöhne ich mich an das Wasser am Deck, lache über mich selbst und genieße die rausche Fahrt!

Zugegeben, durch unsere Regel, immer dann zu reffen, wenn einer von uns reffen will, haben wir in dieser Situation ein unnötiges Manöver gefahren. Doch was macht das schon? Denn in Wirklichkeit habe ich dabei eine wichtige Erfahrung gemacht und Jürgen hat es nur ein paar Handgriffe gekostet.

Hätten wir nicht nach meinem Wunsch gerefft, hätte ich mir während der Weiterfahrt Sorgen gemacht. Sorgen, dass wir Material überstrapazieren, das Boot überbelasten. Sinnlose, subjektive Sorgen.

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Durch das unnötige Manöver habe ich meinen eigenen Fehler gesehen, habe objektiv gelernt, wie La Belle Epoque gesegelt werden will.

Ich kann mich nicht erinnern, jemals wieder ein frühzeitiges Reffmanöver eingeleitet zu haben. Und nach vielen gemeinsamen Seemeilen mit La Belle Epoque kann ich behaupten, dass Jürgen und ich meist synchron ein Reffmanöver vorschlagen. 

Du siehst, wenn du leichte Fehleinschätzungen des Partners zulässt, gibst du ihm/ihr die Chance zu lernen. Vieles regelt sich so mit der Zeit von selbst. Wenn auch nicht alles.

Wenn ihr beide ein Gefühl für eure Yacht aufbauen könnt, werdet ihr auch die nötigen Manöver ähnlich einzuschätzten lernen.

Uneinigkeit bei Manövern?

Sprecht auch darüber und findet eine Lösung, die für euch beide funktioniert. Versucht dabei, auf die Bedenken eures Partner an Bord einzugehen. Oft geht es dabei nur um Kleinigkeiten, die du auch einfach zulassen kannst.

Auch dazu kann ich ein Beispiel von unserer eigenen Bordpraxis erzählen:

Unterwegs auf Segelreise kommt es nur selten vor, dass wir Häfen anlaufen. Wir verbringen sehr viel Zeit vor Anker. Die Suche nach einem passenden Ankerplatz und das Ankermanöver gehört deshalb zu den wichtigen Manövern, die wir generell zu zweit machen. 

Und während wir das Ankermanöver stets als eingespieltes Team abwickeln, kommt doch bei der genauen Platzwahl immer wieder Uneinigkeit auf.

Jürgen liebt es, sehr dicht unter Land zu Ankern, um später nicht weit mit dem Dingi rudern zu müssen. Ich hingegen mag es überhaupt nicht, nur noch wenige Fuß Wasser unter dem Kiel zu haben und das Boot zu dicht an der Küste zu wissen. Ich rudere gerne etwas weiter, um mir dafür an Land keine Sorgen übers verankerte Boot machen zu müssen.

Anfänglich diskutierten wir immer wieder mal über die Platzwahl. Meistens in der Form, dass Jürgen am Bug den Anker nicht ausrauschen lässt, und ich am Steuer, mit dem Echolot vor Augen, das Boot irgendwann umdrehte und mich weigerte, näher an die Küste zu fahren.

Wir merkten schnell, dass diese immer wieder kommende Unstimmigkeit eigentlich lächerlich ist. Denn in Wahrheit ist es eine Kleinigkeit, dass in diesem Fall Jürgen nachgibt und mir ein paar Meter zum Ufer schenkt. So kann auch ich mich am Ankerplatz wohlfühlen und entspannen.

Wir haben uns an Bord angewöhnt, dass wir unter gemeinsamer Aufmerksamkeit zu vorab ausgewählten Ankerplatz fahren. Sobald ich aber merke, dass der Boden zu sehr ansteigt, lote ich die Bucht aus, indem ich Kreise ziehe. Sobald ich den Platz für gut empfinde, gebe ich Jürgen ein Handzeichen und er lässt den Anker daraufhin prompt ausrauschen.

Und ist der Ankerplatz einmal eng und seicht, setzten wir einfach Landleinen und sicher die Yacht so, dass sie auf keine Untiefe schwojen kann.

Ankern in Patagonien

Ein Konflikt zwischen uns ist seither beim Ankern ausgeschlossen.

Jürgen lacht hin und wieder, wenn wir zu weit vom Ufer ankern. Andererseits ist er froh darüber, wenn der Platz gut ausgelotet ist und keine Überraschungen vor Anker kommen.

Lernt also, mit der Reaktion des Partners richtig umzugehen und Unwichtiges auch zuzulassen.

In wenigen Tagen gehts weiter mit dem nächsten Teil zu unserem großen Spezial: Partnerschaft an Bord!

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