Sturmsegeln Spezial – Teil 21: Passive Sturmtaktiken

Aktiv im Sturm zu segeln ist je nach Sturm, nach Seegebiet und nach Blauwassercrew nicht immer möglich. Dann wird es Zeit, auf eine passive Sturmtaktik umzustellen. Vorausgesetzt, du hast die nötigen Vorbereitungen an deiner Yacht getroffen und die erforderliche Schwerwetterausrüstung mit an Bord dabei.

Ablaufen unter Jordan Reihentreibanker

Vor einem Jordan Reihentreibanker abzulaufen gilt heute als eine der sichersten Varianten, passiv einen Überlebenssturm zu überstehen. 

Denn dieser Treibanker, der aus einer Trosse mit hunderten, kleinen Bremskegeln besteht, läuft auch bei extremer Sturmsee nicht Gefahr, vorübergehend aus dem Wasser zu tauchen oder vor der Welle seine Bremskraft zu verlieren. Damit stellt er sicher, dass das Heck der Fahrtenyacht immer gegen die See gehalten wird. Er hat außerdem eine derart hohe Bremskraft, dass die Fahrtgeschwindigkeit der Yacht auf zirka 2 bis 3 Knoten vermindert wird. Dabei kann an Bord entschieden werden, ob die Yacht noch unter kleiner Sturmbesegelung oder gänzlich ohne Segel gefahren wird.

Zu Recht gilt der Reihentreibanker als eine der letzten Rettungen einer Yacht im Orkan. Es gibt keine Berichte einer Kenterung vor einem Reihentreibanker, auch nicht bei schwersten Orkanfahrten.

Im Teil 15 dieser Sturmsegel-Serie haben wir den Jordan Reihentreibanker ausführlich vorgestellt. 

Reihentreibanker
Der Reihentreibanker der Segelyacht SAMAI

Beidrehen unter Segel

Auch das Beidrehen und beigedreht Liegen gilt als eine der ältesten Sturmtaktiken der Segelschifffahrt. Dabei wird das Boot unter Segel in zirka 40 bis 50 Grad zur See gelegt und gestoppt.

Die Yacht treibt leicht seitwärts (mit zirka 1 bis 2 Knoten) und erzeugt dabei mit ihrem Unterwasserschiff einen Schlepp. Das sind Wasserverwirbelungen, an denen anrollende Brecher noch vor der Yacht in sich zusammenfallen. Aber…

Wir teilen die Meinung mit der erhältlichen Fachliteratur, dass einerseits nicht jede Yacht ohne Hilfsmittel sicher beigedreht liegen kann, andererseits nur traditionelle Yachten mit langem Kiel einen ausreichenden Schlepp erzeugen.

Klassisches Beidrehen einer Slup. Nicht jede Yacht kann auf diese Weise effektiv beigedreht werden.

Unsere Erfahrungen mit wiederholtem Beidrehen auf unseren zwei sehr unterschieldichen Fahrtenyachten haben uns dies bestätigt:

Unser gemäßigter Langkieler LA BELLE EPOQUE ist ein wahrer Profi des Beidrehens: Alleine unter gerefftem Großsegel kann sie beigedreht liegen und schafft es, ihren Winkel von zirka 40° gegen die Sturmsee problemlos zu halten. Dabei erzeugt ihr Kiel einen sichtbaren Schlepp – kleine Wasserwirbel sind an der Wasseroberfläche deutlich zu sehen. Auch treibt sie beiliegend mit einer Geschwindigkeit bis zu 1,5 Knoten und wird damit nicht zu schnell. Sie bleibt im Wirkungsbereich ihrer Wasserverwirbelungen und wurde bisher noch nie von einer brechenden Wellenspitze getroffen. 

Beigedreht warten auf Wetterbesserung
Beigedreht warten wir auf Wetterbesserung, bevor wir die Küste Grönlands erreichen.

Unserer ersten Fahrtenyacht, IRISH MIST, stammt zwar aus derselben Yachtbauära, aber sie war zu ihrer Zeit ein äußerst modernes Design: ein „Cruiser-Racer“ mit mittlerem bis leichtem Displacement, Flossenkiel und Spatenruder. Diese Yacht konnte mit back geholtem Vorsegels, gerefftem Großsegel und festgelaschtem Ruder ebenfalls einfach beigedreht werden. In der Tat erzeugte der Rumpf keine erkennbare Blasenspur und die agile Yacht trieb mit höherer Geschwindigkeit. Wiederholt wurde sie auch breitseits von anrollenden Brechern getroffen und überspült.

Alle unsere bisherigen Erfahrungen mit Beidrehen beziehen sich allerdings auf Schwerwetter von 8 bis 9 Beaufort und nicht auf Orkan. In der Regel drehen wir bei, wenn die Bedingungen das sichere Anlaufen einer Küste verwehren. Vor allem wenn wir Gegenwind erleben und die Wetterdaten zeigen, dass nach dem stürmischen Gegenwind günstigere Winde gemeldet sind. Im Orkan mit IRISH MIST war das beigedreht Liegen keine Option, da wir zu diesem Zeitpunkt schon wussten, dass diese Yacht für diese Taktik schlecht geeignet war.

Dennoch: Jede Fahrtencrew sollte herausfinden, wie ihre Yacht am besten beigedreht werden kann.

Die Taktik des beigedreht Liegens ist vor allem dann wichtig, wenn die Crew im Sturm an Deck arbeiten muss, oder wenn andere Möglichkeiten erschöpft sind.

Aber du musst vorab schon herausfinden, ob und wie deine Blauwasseryacht begedreht werden kann. Beigedreht Liegend darf sie auf keinen Fall Fahrt vorwärts machen, um nicht aus den Wirkungsbereich ihres Schlepps zu geraten. Und sie darf sich nicht quer zur See legen. 

Es gibt verschiedene Varianten, eine Yacht beizudrehen. Je nach Yachtkonstruktion sind dafür unterschiedliche Anordnungen der Segel und/oder das Ausbringen eines Fallschirm-Seeankers über einen Hahnepot nötig. 

Hier ein paar Möglichkeiten, wie du eine Slup beidrehen kannst:

 

Slup beidrehen
Verschiedene Möglichkeiten, eine Slup beizudrehen

 

Und hier die Möglichkeiten, die eine Ketsch zum Beidrehen bietet:

Ketsch beidrehen
Verschiedene Möglichkeiten, eine Ketsch beizudrehen.

Von uns, sowie von vielen anderen Blauwasserseglern auch, wird das Beidrehen immer wieder außerhalb von Sturmbedingungen genützt:

  • Während des Durchzugs von Gegenwind auf See,
  • zum Abwarten vor einer Küste, wenn das Anlaufen in Dunkelheit mit hohen Risiko verbunden ist,
  • um das Kentern von Strömungen an Fjordeingängen oder durch Riffpassagen abzuwarten,
  • oder um Reparaturen auf See vornehmen zu können.

Beidrehen und Stoppen mit Hilfe eines Seeankers

Für den Fall, dass unsere Yacht nicht mehr sicher beigedreht liegt, wir aber weder genug Seeraum für andere Sturmtaktiken haben oder alle Möglichkeiten erschöpft sind, haben wir einen Fallschirm-Seeanker an Bord. Mithilfe eines Hahnepots fertig angeschlagen und ins Cockpit umgeleitet liegt er an Bord von LA BELLE EPOQUE in jedem schwierigen Seengebiet bereit. Allerdings haben wir ihn noch nie verwenden müssen. Für uns gilt der Fallschirm-Seeanker aber als einer der letzten Lebensretter, der es schaffen kann, eine Yacht sicher durch einen Überlebenssturm zu bringen.

Mehr zum Fallschirm-Seeanker findest du in unserem „Sturmsegeln Spezial“ Teil 16 – Die Notbremse.

Beidrehen mit Hilfe eines Seeankers – der Notfallplan im Orkan

 

Hier gehts zum vorerst letzten Teil unserer großen Serie: Lenzen vor Top und Takes – die Sturmtaktik, die nicht funktioniert!

Bergung durch Rettungshubschrauber

Sturmsegeln Spezial – Teil 22: Was nicht funktioniert!

Speziell schlecht vorbereitete oder wenig erfahrene Yachtcrews sind teilweise der Meinung, Beiliegen unter Top und Takel gehört zu den erfolgreichen Sturmtaktiken. Aber: Lenzen unter Topp und Takel ist keine Sturmtaktik, sondern sich auf Glück verlassen. Lenzen oder Treiben unter Topp und Takel heißt, alle Segel werden gestrichen und die Yacht wird – ohne Steuerung oder …

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Hier gehts zu den bisherigen Berichten dieser Serie:

 

Ablaufen vor Schwerwetter

Sturmsegeln Spezial – Teil 20: Ablaufen vorm Wind

Ablaufen vor Sturm gehört vermutlich zu den ältesten und gängigsten Sturmtaktiken von Yachten. Auch bei schwerer Sturmsee bewegt sich dabei die Yacht noch verhältnismäßig komfortabel. Der scheinbare Wind wird durch den Fahrtwind reduziert, das nimmt dem Sturm an Bedrohung. Das Risiko, von einer Welle überrollt zu werden ist vermindert, solange die Yacht gute Fahrt voraus …

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Sturmtaktik Hoch am Wind

Sturmsegeln Spezial – Teil 19: Aktiv segeln im Sturm

Im Sturm aktiv segeln. Du hast zwei Möglichkeiten: Am Wind und vorm Wind. Wir zeigen dir, warum auch das Segeln hoch gegen den Sturm sinnvoll sein kann.

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Sturmsegeln spezial – Teil 18: Sturmtaktiken wählen

Es gibt kein Generalrezept, keine ultimative Strategie zum Abwettern von Stürmen. Wir zeigen dir, nach welchen Kriterien du eine passende Sturmtaktik auswählen kannst.

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Sturmsegeln Spezial – Teil 17: Rollover Ready

Es ist soweit. Du bis auf Hochsee, hast deine Wetterdaten wiederholt überprüft und festgestellt, ein Sturmtief wird deinen Kurs kreuzen. Nun bleibt nur noch die Zeit, letzte Vorbereitungen zu treffen und es kann losgehen.

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Seeanker am Bug ausgebracht

Sturmsegeln Spezial – Teil 16: Die Notbremse – der Seeanker

Was tun, wenn du in einem Orkan bist, keinen Seeraum fürs Ablaufen und siehst keine Möglichkeit mehr, aktiv gegen den Sturmwind zu segeln, um dich freizuhalten? Dann kannst du nur eines versuchen: deine Yacht zu stoppen. Wir zeigen dir, was dazu nötig ist.

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Sturmsegeln Spezial – Teil 15: Treibanker mit hoher Bremskraft – Reihentreibanker

Was aber, wenn du nicht mehr aktiv segeln möchtest oder kannst. Was, wenn weder deine Selbsteueranlage, noch du und deine Crew den Job am Ruder mehr schafft. Was, wenn es dir zu gefährlich wird, dauernd im Cockpit am Ruder zu sein. Oder wenn euch schlicht und weg die Angst davon abhält, noch aktiv segeln zu können? Dann hilft der Jordan Reihen-Treibanker

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Sturmsegeln Spezial – Teil 14: Die Schwerwetterausrüstung

Schwerwetterausrüstung? Genügt es nicht, eine Sturmfock und ein Trysegel dabei zu haben? Hier erfährst du, welche Ausrüstung dir helfen kann, sicher durch den Sturm zu kommen.

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