„Wart ihr in einem Sturm?“ Eine Frage, die vermutlich schon jedem Segler wenigstens einmal gestellt wurde. Aber was verstehen wir eigentlich unter einen Sturm und ab wann wird es gefährlich?
Man sollte meinen, die Beaufort-Skala gibt Antwort:
Die Angaben der Beaufort-Skala bringen es zwar auf den Punkt, auf See sind Zahlen und Beschreibungen aber leider doch sehr theoretisch. Denn so statisch in Zahlen lässt sich nun mal unsere Natur nicht beschreiben und unsere Empfindungen sind doch sehr verschieden, sobald wir uns in raueren Bedingungen wiederfinden.
Für jeden Segler bedeutet Sturm etwas anderes
Ein Bespiel dafür erlebten wir im Pazifik:
Um tropische Breiten rechtzeitig vor der Zyklonsaison zu verlassen, segeln jährlich im Frühling hunderte Segelyachten von den Südseeinseln nach Neuseeland. Je nach Absprunginsel liegt eine Strecke von zirka 800 bis 1200 Seemeilen vor den Yachten. Eine Entfernung, die eine durchschnittliche Blauwasseryacht mit 40 bis 55 Fuß in einer knappen Woche zurücklegt. Kleinere Yachten und Yachten mit kleinen Dieselreserven benötigen etwas länger, große Luxusyachten liegen in der Regel nach wenigen Tagen bereits im Hafen von Opua oder Auckland.
Doch das Frühlingswetter in den gemäßigten Breiten hält selten eine Woche lang ohne Depressionen durch. Und deshalb zählt die Strecke von der Südsee nach Neuseeland zu genau jenen Seegebieten, in denen die meisten Weltumsegler nach langem wieder einmal eine kleine Abreibung bekommen.
Deshalb beschäftigt sich die gesamte Gemeinschaft der Blauwassersegler die letzten Tage oder Wochen auf den Inseln intensiv mit dem Wettergeschehen. Jeder Segler – mit oder ohne Hilfe von Außen durch Wetterrouting oder Funkbegleitung – versucht, das optimale „Wetterfenster“ zu finden.
Mit „Wetterfenster“ ist eine Schönwetterphase gemeint, die lange genug anhält, um die Hochseestrecke problemlos meistern zu können. In Seerevieren mit unstabilen Wetter kann ein „Wetterfenster“ allerdings auch einfach nur einen Zeitraum ohne voraussichtlich schweren Sturm heißen.
Und wenn es um die Segeletappe von der Südsee nach Neuseeland geht, ist unstabiles Frühlingswetter angesagt und mit einem Tiefdrucksystem muss gerechnet werden.
Allerdings sind Tiefdrucksysteme nicht besonders leicht einzuschätzen. Sie können ihre Zuggeschwindigkeit verringern, sich vertiefen und sich damit intensivieren. Sie können Dröge ausbilden oder sich hinter einem langsamer ziehenden Hochdruckgebiet beziehungsweise entlang einer Küste „aufstauen“. Und sollten sie gegen Meeresströmungen treffen, können sie bei weitem schlimmeren Seegang aufwerfen, als ihnen vorausgesagt wird.
Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ein durchziehendes Tiefdrucksystem steifere Winde und schwerere See bringt, als die Meteorologen Tage zuvor – nämlich zum Aufbruch des Segeltörns – voraussagen.
Damit konfrontiert, werden auf den Absprung-Ankerplätzen Wetterberichte verglichen, Vorhersagen analysiert. Und sobald sich ein „Wetterfenster“ auf den Wetterberichten zeigt, brechen viele Yachten gleichzeitig auf.
Für uns also ein idealer Versuchsort, was denn eigentlich Sturm für die einzelnen Segler heißen kann. Vor allem auch, weil wir mittlerweile eine der ganz wenigen Segelyachten ohne Windmessgeräte fahren und uns so nicht von verrückten Ausschlägen auf Windanzeigen (durch die schnellen Bewegungen der Mastspitze im Seegang und durch einzelne starke Böen) nervös machen lassen können.
Zu diesem Zeitpunkt hatten wir bereits mehrmals Schwerwetter abgewettert. Mit unserer ersten Yacht hatten wir sogar Orkan erlebt. Wir hatten Übung im Lesen der Wetterberichte und konnten gut einschätzen, was es heißt, in ein gemeldetes Tiefdrucksystem zu fahren. Wir sind nach Neuseeland aufgebrochen mit dem Wissen, die kommenden Tage ein leichtes Tiefdrucksystem zu durchqueren.
Schlussendlich ist die gemeldete Depression gekommen und hat das Feld der Yachten vor Neuseeland durchgerüttelt. Wie von uns vermutet hat sich das Tief etwas intensiviert. Aufgrund einer uns unerklärlichen Meeresströmung nördlich von Neuseeland hat der stürmische Wind einen raueren Seegang als erwartet aufgepeitscht. Da der stärkste Wind aus Südost kam, mussten wir dazu hart am Wind halten, um unser Ziel nicht zu verfehlen. Und jeder Segler weiß, hoch am Wind zu segeln fühlt sich doch immer etwas intensiver an, als den Wind im Rücken zu haben.
Dennoch waren wir erstaunt über die Erzählungen anderer Yachten, nachdem unser Anker in Opua gefallen war:
Eine deutsche Yachtcrew hat erzählt, sie seinen in den „schwersten Sturm“ ihrer Reise geraten und haben fürchterliche See erlebt.
Eine karibische Yacht hatte „orkanartigen Sturm“ mit Windgeschwindigkeiten über 55 Knoten auf ihren Windmessgeräten verzeichnet. Sie zerrissen ihr Großsegel und litten Ängste an Bord. Im Anschluss gab es sogar Überlegungen an Bord, die Reise abzubrechen und die Yacht zu verkaufen.
Eine amerikanische Yacht ist von dem Tief so weit vom Kurs abgetrieben worden, dass sie anschließend ihre gesamten Dieselreserven benötigten, um es doch noch nach Neuseeland zu schaffen.
Und eine holländische Yacht hat Bedingungen erlebt, die sie als „ungemütlich, aber nicht der Rede wert“ eingestuft haben.
Wir haben stürmischen Wind bis (geschätzte) 8 Beaufort passiert. Die See hat ab und zu übers Steuerhaus geschlagen und wir haben Wellen von durchschnittlich 4 bis 5 Meter Höhe geschätzt. Wir sind hart gesegelt, haben mit maximaler Segelfläche gegen die Strömung gehalten. Deshalb haben wir darauf verzichtet, die Sturmfock zu setzen. Wir haben die Strecke unter unserer kleinsten Arbeitsfock, dem dreifach gerefften Großsegel und dem doppelt gerefften Besansegel bestritten. Das Maximum an Segelfläche, welche unser Schifferl bei diesem Wind noch tragen konnte. (Andererseits der Beweis, dass der Wind nicht über 8 Beaufort ging. Denn auch wenn La Belle Epoque in der Regel viel Segeltuch tragen kann, gegen Sturm mit 9 Beaufort hätten wir ein viertes Reff einbinden und auf die Sturmfock wechseln müssen.) Um gegen die steile und konfuse See (trotz unserer dazumal bereits sehr ausgebeulten Segel) gut anzukommen, haben wir im Wirkungsbereich des stärksten Gegenstroms den Motor zur Hilfe genommen.
Mit diesem Starkwindtörn haben wir etwas gelernt. Wir haben erfahren, wie Segler auf die Frage „Wart ihr in einem Sturm?“ antworten:
„JA. Wir haben einen schlimmen Sturm erlebt.“
Denn die meisten Blauwassersegler haben irgendwann ihre BISHER schlimmsten Momente am Wasser erlebt, ihren „Sturm“.
Doch haben sich sämtliche Segler im genannten Beispiel nicht in einem Bereich bewegt, in dem auch nur eine der betroffenen Fahrtenyachten in einen Überlebenskampf geraten war. Keine der Yachten musste auf besondere Sturmtaktiken wechseln. Keine Crew musste vor dem Sturm ablaufen oder Hilfsmittel wie Treibanker einsetzen. Der Seegang von (geschätzten) 4 bis 5 Meter mit hin und wieder leichten brechenden Kronen ist keiner Yacht gefährlich geworden. Auch jenen Yachten nicht, die sich in der maximalen Windzone passiv treiben ließen.
Auch hat das Reißen des Großsegels einer Yacht nicht zu weiteren Problemen geführt. In einem schweren Orkan führt das Versagen von Ausrüstung sehr oft zu einer Kettenreaktion, die die Yachtcrew bald zu einem wahren Kampf ums Überleben bringt.
Auf dieser Reise war deshalb keine der Yachten in einem ausgewachsenen Sturm, sondern lediglich in Schwerwetter. Aber Sturmerfahrungen sind eine sehr persönliche Sache. Nicht nur Sturm, sondern auch Schwerwetter kann beängstigend, anstrengend und manchmal sogar gefährlich werden.
Entwickelt sich Schwerwetter zu einem ausgeprägten Sturm oder Orkan, geht es nicht mehr um Empfindungen.
Dann geht es auch nicht mehr um die Zahlen, mit denen Windmessgerät oder ein Barograf die Crew verängstigt.
Dann geht es nur noch um die Vorbereitung, die Ausrüstung (und damit die Möglichkeiten) und vor allem um das Können von Crew und Yacht. Dann muss die Crew mehr können, als ihre Yacht vor Top und Takel treiben zu lassen und darauf warten, dass eine Welle ihre Welt auf den Kopf stellt. Und dann muss die Yacht stark genug sein, um die Prügel einzustecken, die ihr die See verpasst. Egal, welche Form sie hat und aus welchem Material sie gebaut ist.
Dann dreht sich alles nur noch darum, die Yacht und die Crew möglichst unbeschadet durchzubringen.
Und so werden wir uns in unseren kommenden Berichten rund um Schwerwetter und Sturm nicht nach Zahlen richten, sondern die Begriffe nach der Gefährlichkeit für die Yacht definieren:
Schwerwetter:
Davon sprechen wir, wenn das Wetter anstrengend ist. Wenn stürmischer Wind die Gischt in Streifen vor sich bläst, aber die See der Yacht noch nicht wirklich gefährlich wird. Da kann der Windmesser gerne auch mal 9 Beaufort anzeigen, wenn die See durch eine Küste flach gehalten wird, oder ein stürmischer Passatwind lange, ungefährliche Wellen vor sich hertreibt.
Sturm:
Von Sturm sprechen wir, wenn das Wetter oder die See gefährlich wird. Wenn die Wellenkämme brechen oder sich durch eine üble Kreuzsee enorme Wellen aufstellen. Auch in diesem Fall kann der Windmesser sogar „nur“ mal 8 Beaufort anzeigen. Befindet sich die Yacht in einem Gezeitenrevier, entlang einer strömungsreichen Küste oder in einem besonders flachen Revier, können auch stürmische Winde die See zu wahrlich gefährlichen Sturm aufpeitschen. Wir sprechen vom Sturm, wenn Fehler, Fehleinschätzungen und der Einsatz von unzureichendem Material fatale Folgen haben können.
Orkan oder Überlebenssturm:
Ein Orkan ist unserer Meinung nach ein Sturm, den eine Yacht und ihre Crew ohne besondere Vorkehrungen und ohne Hilfsmittel kaum noch überstehen kann. Dann sprechen wir von einem Sturm, in dem kleine Fehler oder Unglücke eine Kettenreaktion auslösen können, die die Crew an den Rand ihrer Existenz bringt. Der Orkan zwingt die Segelcrew dazu, um ihr Überleben zu kämpfen. Glücklicherweise ist ein Orkan ein Sturm, den die wenigsten Segler je selber erlebt haben. Und wer ihn erlebt hat, wird sein Leben lang mehr Respekt vor den Ozeanen haben, um Starkwind und raue Tage mit einem ausgewachsenen Orkan zu verwechseln.
Und so befassen wir uns die nächsten Wochen mit der Vorbereitungen der Yacht. Mit der kleinen Blauwassercrew. Mit dem Wetter und den Möglichkeiten, schweren Sturm so gut es geht auszuweichen. Wir werden uns mit der See befassen und mit ihren Extremen. Wir werden uns mit Schwerwettersegeln befassen und mit Sturm. Mit Orkan. Und wir werden uns Gedanken machen, welche Sturmtaktiken wo funktionieren können. Denn es macht einen erheblichen Unterschied, ob wir einem Sturm in der Biskaya begegnen oder in den Brüllenden Vierzigern!
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Sturmsegeln
Du planst eine Reise mit deiner Segelyacht? Einen Ozean zu überqueren und fremde Küsten anzulaufen? Dann ist mehr nötig, als nur zu hoffen, in keinen Sturm zu geraten. Der erfahrenen Hochseesegler Jürgen & Claudia Kirchberger helfen dir, dich auf die Hochsee vorzubereiten.
Wie bereitest du dich und deine Crew vor? Welche Ausrüstung sollte mit an Bord sein? Welche Möglichkeiten hast du, sicher durch einen Sturm zu kommen? Und natürlich: Wie kannst du vermeiden, in Schlechtwetter zu geraten?
Hund hier gehts weiter. Der dritte Teil unserer Sturmserie:
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Schon in der Konstruktion und der Ausrüstung der Hochseeyacht kann und sollte ein besonderes Augenmerk auf die Sicherheit der Yacht und Crew gelegt werden. Wir zeigen dir in den kommenden drei Folgen, worauf du achten kannst!
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