oder: Gedanken zum Bericht von Hans-Harald Schack im Float Magazin! (https://floatmagazin.de/orte/langkieler-gehoeren-nicht-in-den-southern-ocean/)

Ein spannender Bericht, der allerdings nicht ganz unsere Meinung spiegelt oder unsere Erfahrung wiedergibt. Und nach tausenden Seemeilen mit einem gemäßigten Langkieler im Southern Ocean wollen wir euch diese Erfahungen nicht vorbehalten!

Dass nicht jedes Schiff gleich seetüchtig ist, ist klar.

Das berühmte Segler verschiedene Taktiken in Schwerwetter anwenden und damit verschieden durchkommen, ist auch klar. Aber einzelne Beispiele zu nehmen und daraus die Seetüchtigkeit eines Designs anzusprechen, ist unvollständig. Und auch wenn sich der Bericht eigentlich mit einer Regatta beschäftigt, so geht es doch um reguläre Fahrtenyachten. Denn die Golden Gobe sollte nach wie vor eine Regatta sein, bei der sich sportliche Fahrtensegler mit leistbaren Schiffen messen können. (Keine Spitzensportler mit hochwertigen und extrem teuren Rennmaschinen).

Und deshalb möchte ich hier diese Überlegung betreffend Langkielyachten aus Sicht eines Fahrtenseglers beleuchten. Aus der Sicht eines Fahrtenseglers, der sowohl Southern Ocean Erfahrung mitbringt wie auch die Erfahrung, mit einer Langkielyacht und mit einer Kurzkielyacht in Sturmsee gesegelt zu sein.

Schon wie der Bericht am Anfang erklärt, kentert jedes Schiff, sobald es bei brechenden Wellen die höher als ein Drittel Schiffslänge sind, quer schlägt.

Das betrifft jedes Design, auch Kurzkieler oder Hubkieler. Das Boot in einer See, die ein Drittel der Schiffslänge überschreitet, ist damit immer nur so gut wie ihre Crew beziehungsweise ihrer weiteren Möglichkeiten, eine Kenterung aktiv zu vermeiden.

In dem Bericht wird davon ausgegangen, dass die Yacht als einzige Möglichkeit des Sturmsegelns das Ablaufen hat. Das ist ein großer Fehler.

Denn bewegt man ein Boot, dem als einzige Sturmmöglichkeit das Ablaufen bleibt, ohne Treibanker und ohne Kursänderungen, wird das Thema Surfen im Wellengang und damit auch das Thema Kenterung wirklich sehr präsent.

(Noch gefährlicher wird es in dem Fall allerdings, wenn die Yacht nicht genug Seeraum hat, um vor dem Sturm abzulaufen, ohne dabei an eine Küste zu geraten. Und diese Situation, mit einem Sturm mit abzulaufen und dabei nicht früher oder später in Bedrängnis zu kommen, hat man tatsächlich kaum wo außerhalb des Southern Ocean.)

Lackarbeiten in NZ
Vorbereitungen: in einer Werft in NZ überholen wir unsere Yacht mit gemäßigtem Langkiel, die uns anschließend über viele tausend Seemeilen sicher durch den Southern Ocean bringt.

Sehen wir uns deshalb vorerst einmal das Ablaufen im Sturm genauer an:

In dem Artikel wird erklärt, dass ein Schiff so schnell wie die See laufen muss, um sicher darüberhinweg zu kommen. Das funktioniert allerdings mit keinem einzigen Verdrängerrumpf, egal, ob es eine Landkiel-Yacht ist oder, das andere Extrem, eine ohne Kiel. Denn alle Segelyachten abseits von der einen oder anderen Regattaziegen und von Katamarane sind Verdränger. Es gibt am Markt soweit ich weiß noch keine Gleitrumpf-Segelboot, die sowohl die Zuladung einer Langfahrt tragen und von einer normalen Fahrtencrew (geschweige einer Einhandcrew) unter Kontrolle gehalten werden kann. Es gibt bisher einige Halbgleiter, in diese Kategorie fallen auch die meisten Regatta-Segelyachten. Allerdings segeln Halbgleiter ebenfalls nicht in Wellengeschwindigkeit.

Das Problem mit Verdrängerrumpf ist natürlich, dass diese Schiffe nicht längerfristig über ihre Rumpfgeschwindigkeit hinaus wollen, sie graben sich dann nur tiefer ins Wasser. Dabei iest es ebenfalls egal, welche Kielform das Boot hat.

Das nun Langkielyachten schneller Querschlagen, da ihre Unterwasserfläche enorme Querkräfte erzeugen, ist ein (umstrittener) Faktor, der aus einem Zusammenspiel aus Faktoren herausgerissen ist.

Denn gleichzeitig segelt der Langkieler durch seinen weit nach hinten gezogenen Kiel kursstabiler. Vor allem, wenn es sich um einen Langkieler handelt, dessen Ruder nicht zu weit vorne angesetzt ist und der obendrein noch (so wie auf den Bericht-Bildern von den Unterwasserschiffen) ein gemäßigter Langkiel ist. Dazu kommt, dass diese Yachten in der Regel mit ausgeglichenen Enden konstruiert sind (ungefähr gleicher Auftrieb im Bug wie im Heck). Ausgeglichene Enden unterstützen ebenfalls die Kursstabilität der Yacht.

Wie gesagt, der Artikel geht davon aus, dass das Schiff sicher ist, wenn es so schnell wie die See läuft. Allerdings kann das keine Fahrtenyacht durchhalten.

Viel gewöhnlicher ist es, dass die Yacht vor dem Wind (also beim Ablaufen) relativ langsam segelt, dann aber vor der Sturmwelle ins Surfen gerät und dadurch ihre Geschwindigkeit wie ein Surfbrett extrem beschleunigt. Bei dieser Beschleunigung verliert das Ruder beinahe seinen Wirkung, da sich das Boot mit der Welle fortbewegt und keine besondere Fahrt mehr durchs Wasser macht. Der lange Kiel und auch ein ausgewogenes Design der Yacht vom Bug bis zum Heck (Bug und Heck mit gleichwertigem Auftrieb) übernehmen für Augenblicke die Aufgabe des Ruders und halten die Yacht auf ihrem gerade Kurs. Die Aussage „Schiffe mit kleinerem Kiel und einem weit achtern liegenden Ruder, das bessere Hebelwirkung hat und deshalb weniger Kraft erzeugen muss, sind bei „Schussfahrt“ einfacher auf Kurs zu halten“ ist falsch, denn bei „Schussfahrt“ fährt die Yacht die Geschwindigkeit der Welle und somit gibt es keine Möglichkeit, den Kurs zu korrigieren.

Im darauffolgenden Augenblick wird der Ruderdruck aber enorm ansteigen, denn die Yacht ist auf eine extreme Geschwindigkeit katapultiert worden, schießt über die Wellenbewegung nach vorne ins Wellental hinaus. Nun bewegt sie sich über ihrer Rumpfgeschwindigkeit, das heißt, der Rumpf hat begonnen, sich „einzugraben“ und es verlangt sehr viel Kraft, die Yacht in diesen kritischen Momenten auf Kurs zu halten. Ich gebe dem Autor nun recht: ein gut positioniertes Ruder, das den Kräften standhaltet, ist nun wichtig. Das Ruder von einer Langkielyacht (oder von einer Yacht mit Ruderskek) hat nun den Vorteil, dass es duch die dritte Aufhängung auf die Ruderharke auch wirklich stabil gefertig ist und die Kräfte auf diesen drei Ruderlagern verteilen kann.

Bleibt die Yacht auf ihrer erhöhten Geschwindigkeit, gerät sie anschließend in Gefahr, ins Wellental voraus ihren Bug einzugraben. Besonders Yachten mit geringem Auftrieb im Bug sind nun in extremer Gefahr. Unterschneidet eine Yacht in das Wellental voraus, wird sie von der Wasserwelle am Bug abrupt abgestopt, während die Welle am Heck nach wie vor schiebt. Das Boot steht vor der größten Gefahr in Sturmsee: querzuschlagend oder über Kopf zu kentern.

Wiederrum spiel es keine Rolle, welche Kielform die Yacht nun hat.

Diese Ausführungen sprechen jetzt an sich noch nicht für oder gegen eine besondere Kielform der Yacht. Wir sind bisher sowohl gemäßigte Langkielyachten als auch sportliche Kurzkielyachten in schwersten Wetter gesegelt und ich muss sagen, dass sich vor dem Wind, also beim Ablaufen, unsere gemäßigte Langkielyacht (La Belle Epoque) bei weitem einfacher handhaben ließ als zum Beispiel unsere Kurzkielyacht (Irish Mist). Irish Mist war sehr agil, daß heißt, vor dem Wind ist sie hin und her gebockt wie ein wildgewordener Mustang und es wurde teilweise unmöglich, auch als geübter Steuermann das Boot auf Kurs zu halten. Dieses agile Verhalten führte deshalb wiederholt zum Querschlagen und in Folge dessen zu Kenterungen. Eine dieser Kenterungen führte uns in einen Seenotfall.

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Im Vergleich dazu hielt unsere Yacht mit gemäßigtem Langkiel – La Belle Epoque – in Sturmsee immer sehr störrisch ihren Kurs, auch als wir mit 18 Knoten Fahrt über die Welle surften.  Unsere Langkielyacht schlug selbst unter Windsteueranlage kein einziges mal quer, allerdings waren ihre schnellen Surfs über die Wellen beängstigend und machte uns bewusst, dass wir einen Treibanker an Bord mitführen müssen. Wie gesagt, die Theorie, dass die Yacht am Besten in Wellengeschwindigkeit segelt, damit sie nicht die Wucht der Wellen abbekommt, ist aus unserer Sicht mit heutige Fahrtenyachten ohne Regattacrew an Bord noch nicht möglich.

Aber natürlich liegt bei dieser Auswahl der Yacht sehr viel an persönlichem Fahrstiel und Segelgeschmack.

Extrem sportliche Regattacrews können auch im Schwerwetter mit einer agilen Rennyacht umgehen, selbst wenn sie keine Möglichkeit mehr haben, sich auszuruhen. Weshalb ja Regatten wie das Ocean Race oder die Vendee Globe zu Spitzensport zählen. Bei den meisten Fahrtenseglern und Einhandseglern handelt es sich allerdings nicht um durchtrainierte Spitzensportler, sondern bestenfalls um sportliche „Normalmenschen“ oder in vielen Fällen um fitte und gesunde Frühpensionisten. Menschen, die weder körperlich noch metal das Durchhaltevermögen von Spitzensportlern haben und Ruhepausen benötigen. Und diese Ruhepausen während der Freiwache bietet in der Sturmsee nur eine Yacht, die ein möglichst ruhiges Seeverhalten an den Tag legt.

Im Schwerwetter südlich von Kap Hoorn

Welche weiten Möglichkeiten des Sturmsegelns bietet das Yachtdesign bzw. die Ausrüstung?

Unserer Einschätzung nach ist es mehr als gefährlich, das Ablaufen als die einzige Möglichkeit des Sturmsegelns zu erklären. Wir sind überzeugt, dass viele Kenterungen vermieden worden wären, hätte die Crew am Bord dieser Yachten die Möglichkeit gehabt, Beizudrehen,mit einem geeigneten Treibanker mit hoher Bremskraft abzulaufen (Jordan Treibanker), oder sogar umzudrehen und gegen den Wind zu stehen.

Richtig und gefahrlos Beidrehen können nur Yachten mit relativ großen Kiel (Langkiel, gemäßigter Langkiel und großer Flossenkiel), da es die Wasserverwirbelungen durch den Kiel benötigt. Umdrehen könnten viele Yachten, jedoch haben dann schwere Yachten den Vorteil, sich erträglicher bei See gegenan zu verhalten. Agile Leichtdisplacemant-Yachten sind in der Regel dann so laut und nervös, dass es die Crew ganz einfach nicht wagt, sich gegen die See zu stellen (auch wenn die Boote es durchhalten könnten). Denn den Bug gegen die See zu drehen ist unserer Meinung nach immer noch eine der sichersten Sturmtaktiken, aber mental nicht die einfachste. Denn dazu muss viel Segelfläche getragen werden (und am besten sogar der Motor mitarbeiten) und der Segler muss „den Sturm ins Gesicht sehen“.

Last but not least ist es immer wieder interessant, die Berechnungen und Schlussfolgerungen von Yachtdesign zu lesen und mit Erfahrungen zu vergleichen.

Zum Beispiel waren wir immer überzeugt, dass eine Langkielyacht „über ihren Kiel stolpern“ kann, da sie eben im Artikel besagte Querkräfte am Kiel erzeugen sollte. Interessant also, dass wir beim Ablaufen im Beringmeer trotz Surfen mit unserem (gemäßigtem) Langkiel nicht ein einziges Mal in Gefahr waren, quer zu schlagen, während ISATIS (sehr fähige Yacht mit Schwenkkiel), wenige Seemeilen neben uns, zwei Kenterungen überstehen musste. La Belle Epoque hat zu diesem Zeitpunkt gezeigt, dass sie auch bei massivem Vorschub am liebsten geradeaus läuft und nicht querkommen will.

Auch interessant zu sehen, dass bei einem Sturm vor den Azoren vor einigen Jahren (ich glaube 2015?) ein großer Lagoon Katamaran kenterte (und leider die kleine Tochter der Familie dabei starb), während eine alte Swan, die aufgegeben alleine weitersegelte, durch den Sturm kam, ohne ihr Rigg zu verlieren (laut den Bericht gegen die Langkieler sollte doch eigentlich der Kat garnicht in Gefahr sein, zu kentern, nachdem er ja keinen Kiel hat und nicht einmal ein Verdränger ist). Aber klar, wir waren nicht dabei und können die Probleme des Kats nicht nachvollziehen, warum es zur Kenterung gekommen ist (es können ja andere Gründe als der Seegang gewesen sein…)

Fazit

Yachtdesign ist unserer Ansicht extrem spannend und wir gehören nicht zu den Menschen, die sagen, dass nur alte Designs gut sind. Aber im Zusammenhang mit den Reisen, um die es geht, muss einfach abgewogen werden, was zur Crew und dem Fahrtgebiet am besten passt. Und zu einer unterbemannten Fahrtencrew passt am besten, was am meisten Schutz gibt und die Kraft der Segler auch in extremen Situationen noch schonen kann. Eingenschafte also, die vor allem gemäßigte Langkielyachten mit mittlerem bis schwerem Displacement seit jeher bieten.

Ich weißt, der Bericht geht ums Golden Globe und nicht ums Fahrtensegeln. Aber das Golden Globe sollte ein Rennen sein, dass sich normale Fahrtensegler leisten können. Damit scheiden hochwertige Regattaschiffe von Anfang an aus. Würde das Rennen nun mit moderneren Serienschiffen stattfinden, die sich in der Preisklasse von den Rustler 36 und Co bewegen, hätte es vermutlich nicht nur Kenterungen gegeben, sondern auch Tote. Ganz sicher aber hätte es nicht weniger Kenterungen und Mastverluste gegeben. Denn wie anfänglich im Artikel beschrieben, kentert jede Yacht, die von einer brechenden Welle die länger als das Drittel der Bootslänge ist, seitlich getroffen wird. Und Ablaufen vor solchen Wellen ist (vor allem ohne Treibanker) so, als würde ein Freizeit-Skifahrer Schuss eine schwarze Piste runter brettern, ohne eine Möglichkeit zu haben, doch irgendwie zu bremsen. Das wäre mit alten Skiern sicherlich genauso gefährlich wie mit neuen…

Seegang
Bereit für eine rauhe Überfahrt!

Sturmsegeln und Sturmtaktiken? In unserem mehrteiligen Erfahrungsbericht vermitteln wir dir, wie du dich vorbereiten kannst und woran du denken solltest:

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Sturmsegeln Spezial – Teil 1: Die Bord-Bibliothek

Die erste Grundlagen: Wichtige Nachschlagewerke und Radgeber rund um Sturm und Starkwind auf See!

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Sturmsegeln Spezial – Teil 3: Die Crew

Diese Vorraussetzungen solltest du mitbringen, wenn du mit kleiner Crew auf große Fahrt gehen willst.

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Sturmsegeln Spezial – Teil 4: langfristige Vorbereitungen der Crew

Wie kann man sich rechtzeitig auf Sturm und Starkwind vorbereiten? Teil 4 unserer Serie Schwerwetter und Sturm für angehende Blauwassersegler

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Im 5. Teil unserer Sturmserie reden wir über Gruppendynamik bei der Routenplanung

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Sturmsegeln Spezial Teil 7 – Wettervorhersagen an Bord

Ein Schipper, der Zeit hat, hat auch den richtigen Wind. Sagt eine friesische Binsenweisheit. Wir sagen: Ein Schipper, der Zeit und gute Wetterberichte hat, hat auch den richtigen Wind!

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Globale Windzirkulation und Meeresströmungen

Globale Winde und Meeresströmungen beeinflussen seit jeher nicht nur das Wetter, sie spielen für Segler eine entscheidende Rolle bei der Törnplanung.

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Auf unserer alten Homepage hat sich eine Fülle von Infos angesammelt. Um sie dir alle Infos im Bereich HOHE BREITEN zugänglich zu halten, gibt ab sofort diesen Download-Bereich: alle Infos in PDF Format, gratis zum downloaden.

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25 Grundlagen jeder Blauwasseryacht

Blauwasseryachten sind so unterschiedlich wie ihre Besitzer. Dennoch gibt es einige Grundlagen, die eine Yacht zu einer fähigen Blauwasseryacht machen. Egal, ob es sich um eine Einrumpf- oder Mehrrumpfyacht handelt. Egal, welche Größe die Yacht hat. Egal, aus welchem Material sie gebaut wurde. Und egal, in welchem Seerevier sie ihre großen Reisen vollbringen soll. Wir haben die wichtigsten Grundlagen für eine Blauwasseryacht in 25. Punkten zusammengefasst!

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Anmerkungen von unserem Leser Knud, der sich zur Zeit auf Weltbesegelung im Pazifik gefindet:

Auch nach meiner Erfahrung muss ein Schiff grundsätzlich erst einmal stabil sein, damit es seetüchtig ist. Es darf halt nix kaputt gehen. Ob es danach reaktionsschnell wie ein moderner Flossenkieler oder kursstabil wie ein Langkieler ist, macht erst mit Blick auf die Möglichkeiten und Empfindlichkeiten der Crew einen Vorteil oder einen Nachteil.

Ich habe beide Bootstypen besessen und hatte mit einem „Cruiser/Racer“ sehr viel Spaß und fühlte mich immer sicher. Für die Langfahrt kam aber doch ein vergleichsweise schweres Schiff ins Haus, einfach weil sowas auch mal eine Weile seinen eigenen Weg durchs Wetter findet und der Crew mehr Ruhe zur Regeneration bietet.

Die Crew muss es letztlich für sich ganz individuell entscheiden ob man mit Lang- oder Flossenkiel glücklich wird.

In den letzten Wochen habe ich das Thema ein paarmal mit Max, einem jungen  und enthusiastischen Bootstramper, besprochen. Max würde am liebsten mit einem Open 40 mit Cantingkiel durch den Southern Ocean brennen und bekommt kreisrunden Haarausfall, wenn ich die Schönheit und Stärke einer klassischen Joshua preise ….. Er hatte mich wohl nur als Diskussionspartner akzeptiert, weil ich auch Erfahrung mit „Cruiser/Racern“ vorweisen konnte…..

Es hängt immer davon ab, welche Crew an Bord ist: Max würde in schlechtem Wetter mit seiner aktiven Art zu steuern irgendwann müde und unkonzentriert werden und einem schweren Langkieler dann einen Steuerimpuls geben, dem das Schiff stur folgt und ggf. vor einer Welle querschlagen während ein Flossenkieler u.U. auch einem ermüdeten Rudergänger zurück auf den Kurs gefolgt wäre. Ich selber bevorzuge es, so selten wie möglich am Ruder zu stehen, ich versuche, mein Boot so zu trimmen, dass es alleine seinen Weg findet. Das funktioniert bei einem schwereren Boot mit etwas längerem Kiel einfach besser. Wenn ich nicht am Ruder stehe, ermüde ich nicht und gebe keine falschen Steuerimpulse die u.U  bei einem sturen Boot nicht zu korrigieren sind. Mein Boot ermüdet beim Selbststeuern nicht, richtig balanciert steuert die Windfahne besser als ich es selber kann.

Nun würde Max entgegnen, dass die Langkieler beim GGR auch unter Windfahnensteuerung quergeschlagen und gekentert sind, womit er recht hat. Dagegen würde ich Max daran erinnern, dass der moderne LDP Renner sich von einer Windfahne gar nicht mehr steuern lässt weil er zu schnell beschleunigt und bei uns Langfahrern hochkomplexe und sauteure Autopiloten, die einen Renner zuverlässig auf Kurs halten einfach nicht verfügbar sind; es bleibt uns also nur von Hand steuern, wenn der „Racer“ alleine seinen Weg nicht findet…… und von Hand steuern bedeutet nun mal früher oder später Ermüdung und Fehler. Ein GGR mit preisgünstiger Ausrüstung (ohne sauteure, hochkomplexe Autopiloten) auf schnellen, spaßigen Racern hätte sicher mehr Kenterungen produziert als es mit Rustler 36 und Co. der Fall war.

….

Und noch ein kurzer Nachtrag zum Thema „Langkieler gehören nicht in den Southern Ocean“: Diese Aussage ist alleine schon deshalb Unsinn, weil es „den Langkieler“ einfach nicht gibt. Wenn man sich das Design der Rustler 36 ansieht, stellt man fest, dass es kaum einen Vorfuß beim Kiel gibt. Der Langkiel setzt erst ab ungefähr der Mitte des Schiffs an, auf Höhe des Mastes, unter dem Vorschiff gibt es kaum Lateralplan, der einem Steuerimpuls entgegensteht.

OE-Yacht von Teilnehmer Are Wiig, Bild aus dem Bericht von Float Magazin © GGR/PP

Bei der OE 32 setzt der Kiel ein kleines wenig weiter vorne an, ein ausgeprägter Vorfuß ist aber auch dort nicht vorhanden. Der Nachbau der Suhaili, der von dem indischen Offizier im GGR gesegelt wurde und im Indic gekentert ist, hatte einen klassischen, langen Kiel. Bei diesem Design gibt es einen extremen Vorfuß, der Kiel geht praktisch bis zum Bug und setzt einem Steuerimpuls sicher mehr Widerstand entgegen als dies z.B. der Rustler 36 der Fall ist.

Die Bandbreite der Langkieler in ihren verschiedenen Ausprägungen ist also enorm. Alle diese Boot pauschal als gleich schwer zu steuern zu qualifizieren, ist einfach Unsinn. Mal ganz abgesehen davon, dass es noch entscheidend auf die Position und die Größe des Ruderblattes ankommt, wieviel Hebel das Ruder gegen den Widerstand der vorderlich liegenden Kielfläche entwickeln kann.

Und dann kommt noch das Thema Selbststeuerung dazu….

Womit ich mich – unabhängig von der Kielform – auf Langfahrt nur sehr schwer anfreunden könnte, wären freistehende Flossenruder. Hier kommen wir wieder zum Punkt „Es darf nix kaputtgehen“, und die dauerhafte Belastung der Ruderlager durch den Hebel „Flosse“ würde mir ernsthaft Sorge bereiten. Ein ordentlicher Skeg bringt mir mit der zusätzlichen Lagerung fürs Ruderblatt, plus dem Schutz für dasselbe ein besseres Gefühl. Und mal ernsthaft, soviel schlechter reagiert ein Schiff nicht aufs Ruder, wenn ein Skeg vorm Ruder steht.

Egal, genug davon, der kleinste gemeinsame Nenner ist, dass einfach nix am Boot kaputt gehen darf! Alles andere hängt an den Erwartungen und Fähigkeiten der individuellen Crew!

Ein Kommentar

  1. Heyho,

    in seinem Buch „Kap Horn – der logische Weg“ beschreibt B. Moitessier sehr eindrücklich, wie ihm und seiner Francoise der Wechsel der Taktik beim Ablaufen in der Sturmsee vor Topp und Takel die Haut gerettet hat: Hatte er eben noch Trossen mit allerlei Anhänglichkeiten nachgeschleppt, die sowohl ein brachiales Überkommen der achterlichen Seen nicht nur in das Cockpit, sondern auch die Unsteuerbarkeit seiner Joshua zur Folge hatten, erinnerte er sich an den Rat eines englischen Seemanns und kappte jene Trossen mit dem Ergebnis, dass die Seen unter dem Rumpf seines Schiffes durchrollten und seine Joshua wieder steuerungsfähig war. Nach dieser Erfahrung, so schreibt er, würde er in derartigen Situationen niemals wieder auf die Idee kommen, ein Schiff beim Ablaufen „abzubremsen“.

    Tja, so ist das mit den Erfahrungen und den Sturmtaktiken, die aus ihnen erwachsen. Es gibt keine, jedenfalls keine vernünftigen allgemeingültigen Aussagen hierzu – das gilt auch für eure mit dem Treibanker. Denn keine See, kein Schiff und keine Crew ist mit anderen vergleichbar.

    Beste Grüße aus der Südägäis,
    Uli
    SY Kiruli

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