Wenn du mit Blauwasserseglern sprichst, hörst du irgendwann:
Und die unsinnigste Aussagen:
Zum Glück geraten nur die allerwenigsten Blauwassersegler und Weltumsegler wirklich einmal in einen Orkan oder Überlebenssturm! Auch wenn jeder Fahrtensegler irgendwann einmal seine bisher schlimmsten Momente am Wasser – seinen persönlichen Sturm – erlebt hat.
Die maximale Segelleistung einer Blauwasseryacht ist ihre wichtigste Waffe im Kampf gegen Sturm.
Und damit meinen wir ihre maximale Segelleistung auf allen Kursen! Denn auch wenn das Ablaufen vor Sturm zu den meistbekannten Möglichkeiten zählt: Je nach Seegebiet, Sturmsystem und Position kann es fatal enden, wenn du keine Möglichkeit mehr hast, deine Yacht freizukreuzen.
Um deiner Fahrtenyacht die beste Segelleistung abzugewinnen, spielen abseits ihrer Konstruktion viele Faktoren zusammen:
- die Qualität des Rumpfes und der Kraftübertragung aus dem Rigg in den Rumpf
- die Anordnung und Ausführung des Riggs
- die Decksausstattung und das Segelhandling
- die Wahl der Segel: Auswahl und Anzahl, Tuchmaterial und -gewicht, Segelschnitt und Segelstand, Reffmöglichkeiten, Verstärkungen und Schamfilschutz
- die Möglichkeiten der Steuerrung und Selbststeuerrung
- die Zuladung und das erreichte Gesamtgewicht unter Blauwasserbedingungen (also mit voller Ausstattung und Proviantierung)
- die Gewichtsverteilung unter und auf Deck
- die Alternative, mit zuverlässiger Motorkraft die Segelleistung zu unterstützen.
Nur ein stabiler Rumpf kann ein zuverlässiges Rigg durch Schwerwetter tragen.
Bei Gesprächen über robuste Blauwasseryachten geht es meist um die Fähigkeit einer Yacht, eine Kollision mit Treibgut zu überstehen. Doch das ist nicht der alleinige Grund für einen stabilen und widerstandsfähigen Rumpf.
Der Rumpf einer Tourenyacht muss stark genug sein, um eine hohe und gleichbleibende Spannung des Riggs sicherzustellen. Dazu muss der Rumpf möglichst verwindungsfrei bleiben und die Dauerbelastung durch die Kräfte des Riggs und auch Extrembelastungen durch Sturm standhält.
Das klingt nun wie eine Binsenweisheit, allerdings treffen wir unterwegs immer wieder Yachten, die so flexibel in ihren Rümpfen sind, dass ihr Rigg nicht optimal gespannt werden kann. Wir haben Yachten mit verformten Decks unterm Mastfuß gesehen, da die Maststütze unter Deck nicht ausreichend stark dimensioniert wurde. Gebrochenen Unterzügen, lose gekommene Püttinge und ausgebrochene Schottwände sind ebenfalls zu sehen.
Während Metall- und Carbonyachten kaum Probleme mit Verwindungen und Überbelastungen haben, so müssen Yachten aus Holz oder GFK besonders sorgfältig gebaut und verstärkt werden, um die Dauerbelastungen von weltweitem Segeln durchhalten zu können.
Das ist technisch durchaus möglich, führt aber zu höheren Baukosten und einem höheren Konstruktionsgewicht.
Hochwertige Blauwasseryachten aus GFK sind deshalb selten schnelle Leichtdisplacement-Yachten.
Beißt sich da die Katze in den eigenen Schwanz? Immerhin geht es ja darum, dass die maximale Segelleistung einer Blauwasseryacht ihre wichtigste Waffe im Kampf gegen Sturm ist. Und ist eine moderne Yacht mit leichtem Displacement nicht schneller und wendiger zu segeln als eine schwer gebaute Fahrtenyacht?
Nicht unbedingt. Leichtdisplacement-Yachten sind klar im Vorteil bei leichten Winden. Das heißt aber nicht, dass sie bei rauer See und aufbrausenden Wind immer noch schneller und leichter zu segeln sind. Dann zeigen schwere Fahrtenyachten ihre Vorteile: Richtig konstruiert können sie auch bei stürmischen Winden noch relativ kursstabil segeln und auch gegen Wellen gleichmäßiger Geschwindigkeit halten. Auch vertragen sie in der Regel die schwere Zuladung der Langstreckensegler besser.
Umgekehrt sollte sich jeder Eigner einer schweren Hochseeyacht klar darüber sein, dass seine Yacht konstruktions- und bauartbedingt bereits Einschränkungen der Segelleistung haben kann. Deshalb gilt, die Yacht mit bestmöglicher Ausrüstung so zu unterstützen, dass sie ihr Maximum leisten kann.
Einfach ist nicht immer am zuverlässigsten: das Rigg
Diese Aussage haben wir zum ersten Mal gehört, als wir vor rund zwanzig Jahren von unserer ersten Segelreise zurückgekommen sind. Es ist eine Aussage, die wir vehement ablehnen.
Da du bereits im Bericht „Ein Rigg für Blauwasseryachten“ die Grundlagen der Bauweise erfährst, beschränken wir uns hier auf die passende Konstruktion, um die maximale Segelleistung auch in Sturmbedingungen noch zu erhalten, ohne dabei einen Mastbruch zu riskieren.
Da wir zu wenig Erfahrungen haben um über geeignete Riggs von Katamaranen zu sprechen, gelten folgende Überlegungen für Einrumpfyachten.
Ein geeignetes Rigg fürs Fahrtensegeln verfügt unserer Meinung nach immer über einen Kutterstag.
Das heißt, es gibt mindestens zwei Vorstage. Werden auf beiden Vorstagen Rollreffanlagen gefahren, empfiehlt sich sogar ein dritter, wegnehmbarer Vorstag, auf dem passende Stagreitersegel gefahren werden können. Nur so kann, auch beim Freikreuzen gegen Starkwind, immer noch ein Segel gesetzt werden kann, dass einen bestmöglichen Segelstand garantiert.
Dies setzt im gleichen Atemzug voraus, dass zusätzliche, laufende Backstagen die Belastungen am Mast durch den (oder die) Kutterstag(e) gegenhalten. Auch unterbindet ein zusätzlicher Kutter- und/oder Babystag zum Teil das „Pumpen“ des Mastes und schützt so vor Mastbruch.
Der Achterstag – oder besser die beiden Achterstage – müssen nicht mit Vorrichtungen zum Masttrimm ausgelegt sein. Wichtiger ist, dass sie von ihren Püttingen bis zum Masttop so gefertigt sind, dass sie auch gegen die wechselnden Zugbelastungen durch den Vorstag eine dezente Mastbiegung dauerhaft halten.
Konventionelle Wanten, mit zwei Unterwanten und – je nach Mastlänge – ein oder mehrere Oberwanten gehören für uns zur Grundausrüstung. Stark gepfeilte Salinge und der gleichzeitige Verzicht von Unterwanten halten wir für zu wenig. Auch Heide & Erich Wilts erklären dazu in ihrem Ratgeber „Im Sturm – Segeln im Extremwetter“ folgendes:
Verfügt die Yacht über einen Bugsprit, muss natürlich auch der Wasserstag in hoher Qualität und starker Dimension gefertigt sein.
Hoher Mast – kurzer Mast?
Was die generelle Größe des Riggs betrifft, sind wir nicht ganz der Meinung von Heide & Erich, die sich aufgrund ihrer Erfahrungen wiederholt für verkürzte Masten entschieden haben. Auf La Belle Epoque fahren wir die vom Konstrukteur maximale gezeichnete Masthöhe, um der schweren Yacht auch bei Leichtwind eine große Segelfläche zu ermöglichen. Und das hat uns auch bei Schwerwetter noch nicht gestört.
Im Gegenteil, ein hohes Rigg dämpft die Rollbewegung einer Yacht, was vor allem bei hoher See zu ihrer Sicherheit beiträgt und ihre Kentersicherheit erhöht. Diese Dämpfung ist vor allem zu sehen, wenn sie nicht mehr da ist: nach einem Mastbruch rollen Yachten deutlich mehr und kentern schneller durch.
Natürlich müssen wir durch unser höheres Rigg auch etwas früher reffen. Nachteile eines hohen Riggs liegen unserer Meinung nach nicht bei der Sturmtauglichkeit der Yacht, sondern an der höheren körperlichen Belastung, die uns die größeren Segel abverlangen, die extra Kosten und die größer dimensionierte Decksausrüstung, die wir benötigen. Wir haben auch das Gefühl, dass hohe Masten eher zum Pumpen neigen. Das muss so gut wie möglich unterbunden werden, weshalb die Verstagung eines hohen Riggs aufwendiger ist.
Die Decksausrüstung muss so dimensioniert sein, dass das schwächste Crewmitglied die Segel in allen Wetterlagen bedienen kann.
Große Winden in ausreichender Anzahl müssen so am Deck verteilt sein, dass sie einfach und sicher bedient werden können. Umlenkungen, Blöcke, Klampen, Schäkel und Co müssen höchste Qualität aufweisen und bei ersten Anzeichen von Ermüdung konsequent getauscht werden.
Das Deck so zu gestalten, dass alle Arbeiten von Cockpit aus geleistet werden können, ist sicherlich hilfreich, unserer Meinung aber nicht zwingend nötig. Wir selbst müssen für viele Arbeiten an den Mast oder aufs Vordeck, was uns nicht im geringsten stört. Allerdings muss ich auch sagen, dass wir darauf Wert gelegt haben, einen möglichst sicheren Arbeitsplatz am Masten und am Vordeck zu haben. La BELLE Epoque erleichtert außerdem durch ihre eher ausgewogenen Bewegungen Arbeiten am Deck. Auch drehen wir für Arbeiten vor dem Mast gerne bei, was unser Boot auch ohne Vorsegel ausgezeichnet kann.
Und da die maximale Segelleistung der Hochseeyacht natürlich durchdachte und hochwertige Segel benötigt, werden wir in den kommenden Teilen speziell der Auswahl der einzelnen Segel nachgehen.
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Wie bereitest du dich und deine Crew vor? Welche Ausrüstung sollte mit an Bord sein? Welche Möglichkeiten hast du, sicher durch einen Sturm zu kommen? Und natürlich: Wie kannst du vermeiden, in Schlechtwetter zu geraten?Quer eingestiegen? Kein Problem, hier gehts zu den vorherigen Berichten unsere großen Serie: Segeln bei Schwerwetter und Sturm
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